Worüber seit Monaten in der italienischen Kulturszene geraunt wurde, ist nun eingetreten: Der deutsche Kunsthistoriker Eike Schmidt, 56 Jahre alt, derzeit Leiter des Nationalmuseums Capodimonte in Neapel und davor Museumsdirektor der weltberühmten Uffizien in Florenz, tritt im Juni als Bürgermeister-Kandidat in der Hauptstadt der Toskana an. Schmidt gab seine Kandidatur vor den Uffizien unter freiem Himmel in lupenreinem Italienisch bekannt; der gebürtige Freiburger ist mit einer Italienerin verheiratet und besitzt seit vorigem Jahr auch die italienische Staatsangehörigkeit. Pikant an seiner Bewerbung ist, daß Schmidt für das Mitte-Rechts-Lager unter Ministerpräsidentin Georgia Meloni kandidiert, was die im allgemeinen eher linke Kulturszene nun aufheulen läßt.
Dabei sieht sich Schmidt als „Mann der Mitte“, als unabhängiger Kandidat. Er will „gegen die kulturelle Verwahrlosung“ der Stadt angehen und gegen den „Übertourismus“; aber er will auch mehr Sicherheit für die Bürger und sich ebenso den sozialen Problemen der Florentiner annehmen. Schmidt möchte, daß Florenz, die Stadt Dantes, wieder zum „kulturellen Kleinod Europas“ wird, daß die 360.000 Einwohner zählende Großstadt wieder lebenswerter für ihre Bewohner wird und ihren alten Glanz zurückerhält. Bisher wurde Florenz von den Linken regiert.
Kulturkampf in Italien ausgelöst
Als Direktor der Uffizien seit 2015 hat Schmidt viel bewegt. Besonders von seinen Managerqualitäten profitierte das Kunstmuseum. Unter seiner Führung wurden die Uffizien zu einem der erfolgreichsten Museen Europas. Der polyglotte Kunsthistoriker arbeitete schon in Washington und Los Angeles. In Fachkreisen gilt er als anerkannter Experte. Seit 2017 ist er Honorarprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin. Nachdem im Dezember vorigen Jahres sein Vertrag mit den Uffizien nicht verlängert wurde, wechselte er in gleicher Funktion von Florenz nach Neapel ins Nationalmuseum Capodimonte.
Seine Entscheidung, in die Politik zu gehen und sich als Kandidat für Florenz – die „rote Hochburg“ – zu engagieren, hat jetzt über Nacht quasi einen Kulturkampf in Italien ausgelöst. Kulturminister Gennaro Sangiuliano gab sich enthusiastisch ob dieses Kandidaten und erklärte: „Das zeigt den europäischen Geist, Florenz ist eine europäische Kapitale.“ Von linker Seite sieht man die Dinge völlig anders. So wertete der Bürgermeister von Neapel diese Kandidatur als „einen Angriff auf Neapel, auf unser Land, auf unsere Kultur“. Schmidt habe das angesehene Museum Capodimonte als politisches Sprungbrett benutzt. Das sei „inakzeptabel“.
Schmidt zeigt sich in all diesem politischen Aufruhr gelassen und selbstbewußt: „Ich werde gewinnen.“ In den nächsten Tagen will er sein Parteiprogramm für Florenz bekanntgeben. In Neapel sind für das kommende Wochenende Protestaktionen angekündigt.