Der Tod ist der Endpunkt jedes Lebens. Sofern das Bewußtsein der eigenen Endlichkeit nicht durch Verdrängungsmechanismen unterdrückt wird, gehört die Auseinandersetzung mit dem Tod zu den zentralen Elementen des menschlichen Daseins. Diese Auseinandersetzung hat stets auch im künstlerischen und kunsthandwerklichen Bereich stattgefunden, was unter anderem zu spielerisch-humorvoller Verarbeitung oder zu mannigfaltiger Ästhetisierung führte.
„Tod und Teufel“ lautet die aktuelle Ausstellung im Landesmuseum Darmstadt, die sich unterschiedlicher Verarbeitungsformen in Kunst und Alltagskultur widmet. Dabei spielt der Aspekt „Horror“ eine wesentliche Rolle, handelt es sich ja dabei um das populärkulturelle Spiel mit der Todesangst. Dementsprechend sind nicht nur Gemälde und Fotografien zu sehen, sondern auch Mode, Plattencover, Installationen und Filmsequenzen.
Empfangen wird der Besucher von beängstigenden beweglichen Metallobjekten des amerikanischen Künstlers Max Hooper Schneider, die einem von HR Giger entworfenen Filmdesign zur ehrenvollen Ergänzung dienen könnten. Danach taucht er erst einmal in die Historie. Er stößt auf einen bunt verzierten Sarg des 18. Jahrhunderts und erfährt, daß in Westeuropa Tote jahrhundertelang in Leichentüchern bestattet wurden. Erst mit der protestantischen Reformation habe sich die Bestattung in maßgefertigten Holzsärgen durchgesetzt. Diese wurden – wie das gezeigte Beispiel – oft mit Vanitas-Symbolen und biblischen Versen verziert.
Den Sarg umgeben historische Gemälde und Stiche, die exemplarisch für die Darstellung von Tod und Teufel in der abendländischen Kunst ab der frühen Neuzeit stehen. Gerade in großen Krisen wie dem Dreißigjährigen Krieg oder der Schwarzen Pest wurde die Vergänglichkeit allen irdischen Seins durch die Darstellung von Totenköpfen und Skeletten symbolisiert. Teufel und Dämonen wurden als groteske, düstere Mischwesen dargestellt, denen das Gute in Form schöner, lichter Körper entgegengesetzt wurde.
Die Schau präsentiert als frühes Beispiel Martin Schongauers Kupferstich „Die Peinigung des heiligen Antonius“ aus dem 15. Jahrhundert. Ebenso Alfred Dürers bekannte Stiche „Michaels Kampf mit dem Drachen“ (1498), „Das Sonnenweib und der siebenköpfige Drache“ (1498) und „Ritter, Tod und Teufel“ (1513). Auch das frühe 19. Jahrhundert folgte noch dieser Tradition, etwa in Anton Sohns Terrakotta-Figürchen den Zizenhausener Totentanzes, Carl Friedrich Sandhaas’ Tuschezeichnung „Der Teufel geht über das Land“ oder Max Klingers „Tod als Pflasterer“. Friedrich Wilhelm Schadow stellte für das Düsseldorfer Landgericht 1852 eine Darstellung der Hölle her, die von Dante Alighieris „Göttlicher Komödie“ inspiriert war. Ein Dämon mit Fledermausflügeln starrt den Betrachter an, während um ihn die Leiber der Toten von Schlangen und monströsen Gestalten zerfleischt werden.
Über vom Zeitgeist übersättigte Erklärtexte hinweglesen
Im Laufe des 19. Jahrhunderts entstand aus dieser Tradition langsam der „Gothic Horror“. Franz Kramer malte 1834 Faust und Mephisto auf den Walpurgistanz am Blocksberg blickend, Johann Heinrich Füssli 1812 bis 1820 das Bild einer eingesperrten Ehebrecherin, die in ihrer Zelle das Skelett des toten Geliebten umarmt. Und Arnold Böcklin stellt in seinem Gemälde „Das Irrlicht“ (1862) eine Geistererscheinung in einem dunklen Wald dar. Nach dem Volksglauben nämlich waren die Seelen ungetaufter Kinder zwischen Himmel und Hölle gefangen, weshalb sie aus Boshaftigkeit Wanderer bisweilen in Sümpfe lockten.
Aus den Stoffen des 19. Jahrhunderts entwickelte sich im 20. Jahrhundert ein ganzer Zweig der Unterhaltungsindustrie. Die Schau zeigt Ausschnitte aus den Stummfilmen „Das Cabinet des Dr. Caligari“ (1920) und „Nosferatu – eine Symphonie des Grauens“ (1922). Daraus wird der Bogen zur Gothic-Bewegung gezogen. Man sieht Plattencover von Wave- und Heavy-Metal-Bands sowie Fotografien vom Leipziger Wave-Gotik-Treffen und vom Wacken Open Air. Zudem werden verschiedene düstere Kleiderentwürfe, Ringe mit Totenköpfen oder Kinderschuhe mit Zähnen präsentiert. Die Ausstellung endet mit einer Sammlung aus Horrorfilm-Plakaten und moderner Kunst, zum Beispiel Matt Collishaws Fotografie-Reihe der letzten Mahlzeiten in den USA Hingerichteter, die er in Form klassischer Stilleben inszenierte.
Besucher, die sich eine eigene Meinung bilden möchten, sollten sich nicht zu sehr in die vom Zeitgeist übersättigten Erklärtexte der Ausstellung vertiefen. Da wird von der „demokratischen Natur des Todes“ schwadroniert, von „alternativen Geschlechteridentitäten“, von kruden Heavy-Metal-Songtexten, von der Auflehnung gegen Kolonalismus, christliche Mission und eine „frauenfeindliche Kultur“ sowie von der kritischen Reaktion einer Horrorfilm-Staffel auf die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten. Versteht man es, über derlei einseitige Fokussierungen des Zeitgeistes hinwegzulesen, begegnet einem eine spannende Schau mit vielen interessanten Exponaten, die zum freien Nachdenken über das Thema „Tod“ anregen.
Im Anschluß wird die Ausstellung vom 14. Juli bis 20. Oktober 2024 im Museum Georg Schäfer in Schweinfurt gezeigt.
Die Ausstellung „Tod und Teufel. Faszination des Horrors“ ist bis zum 2. Juni im Landesmuseum Darmstadt, Friedensplatz 1, täglich außer montags von 11 bis 18 Uhr, mittwochs bis 20 Uhr,
Sa./So. bis 17 Uhr, zu sehen. Der Katalog mit 200 Seiten und 258 Abbildungen kostet im Museum 29,80 Euro. www.hlmd.de
Ausschnitt aus dem Triptychon „Das Jüngste Gericht“ des Düsseldorfer Malers Friedrich Wilhelm von Schadow und Schüler, Öl auf Leinwand, 1848—1852