Vor fast fünfzig Jahren schockte ein kleiner Junge die Kinozuschauer. Er hieß Damien und war so durchtrieben, hinterhältig und böse, daß man ihn auch einen kleinen Teufel nennen konnte. Und damit lag man goldrichtig. Denn Damien sollte sich als Sohn Satans herausstellen und „Das Omen“ (1976) als schaurige Horrormär, in der ihr Adoptivsohn die von Lee Remick und Filmlegende Gregory Peck gespielten Eltern das Fürchten lehrte. 1978 knüpfte ein zweiter Teil an den Erfolgsfilm von Richard Donner an. Etwas weniger spektakulär fielen die weiteren Nachziehnummern aus. Es handelte sich, wie so oft in diesem Genre, um auf Zelluloid gebannte Mutproben für Heranwachsende.
In diese Kategorie fällt auch die Schauermär „Das erste Omen“, die sich anschickt, die hochbetagte Filmkuh ein weiteres Mal zu melken. Diesmal wird die Vorgeschichte zu „Das Omen“ erzählt, die Geschichte also, wie der Junge mit der ominösen dreifachen Sechs auf der Kopfhaut zur Welt kam.
In der ersten Hälfte können sich die Charaktere entwickeln
Die aus einer kleinen Stadt in Massachusetts stammende Margaret (Nell Tiger Free) trifft 1971 in Rom ein, um ihren Dienst in einem katholischen Waisenheim anzutreten. Hier soll sie in Kürze auch ihr Nonnengelübde ablegen. Rasch gewinnt die aufgeschlossene US-Amerikanerin das Vertrauen der Kinder, sogar der verhaltensauffälligen und zu ungewöhnlichen Aggressionen neigenden Carlita Scianna (Nicole Sorace). Das Mädchen fertigt düstere Zeichnungen an und muß öfter in die Besserungsstube, die im Englischen mit einem Wortspiel „bad room“ heißt. Zusehends gerät Margaret in den Bann des dunkelhaarigen Mädchens mit dem finsteren Blick. Für die anderen Schwestern ist Carlita einfach „krank im Kopf“.
In Luz (Maria Caballero) findet die fromme Frau eine offenherzige Zimmergenossin, die sie zu einem Bar- und Discobesuch überredet. Ehe Margaret der Welt entsage, solle sie wenigstens einmal Bekanntschaft mit der Welt gemacht haben, rät Luz. Der Abend wird tatsächlich zu einem unvergeßlichen Erlebnis. Doch dann holt der Heimalltag die junge Frau wieder ein. Gräßliche Visionen von schwangeren Frauen beginnen sie heimzusuchen, deren Leibern das Böse entweicht. Schließlich wird sie von einem Pater in das Geheimnis des Ordens eingeweiht, in den sie eingetreten ist: Eine Gruppe von Verschwörern um den mächtigen Kardinal Lawrence (Bill Nighy) hat sich zum Ziel gesetzt, die schwindende Autorität der Kirche wiederherzustellen, indem sie den Teufel kontrolliert zur Welt kommen läßt und der Menschheit anschließend demonstriert, wie verloren sie ohne geistlichen Beistand ist.
Wenn ein Drehbuch so ausgedacht wirkt wie das von Regisseurin Arkasha Stevenson, Tim Smith und Keith Thomas (basierend auf einer Geschichte von Ben Jacoby), wird es schwer, den Film, der daraus gemacht wird, aus Dutzendware herauszuheben. Das gelingt Arkasha Stevenson zumindest in der ersten Hälfte noch ganz gut: „Das erste Omen“ beginnt mit einem schockierenden Vorspann, dessen Sinn sich der Zuschauer später selbst zusammenreimen muß, und dosiert Schockeffekte zunächst sehr vorsichtig. Stevenson nimmt sich die Zeit, Charaktere auszuleuchten. Ihre Figuren sollen, wie im ersten Film der Reihe, mehr sein als Stichwortgeber für Gruseleffekte, sollen sich entwickeln und entfalten können.
Recht gelungen ist die Einbettung der Handlung in die Studentenproteste der frühen Siebziger, die Kardinal Lawrence in große Sorge um die Relevanz der Kirche geraten lassen, Triebfeder für seinen Ehrgeiz, die Menschen zu Gott zurückzuführen, ja die Kirche zu erlösen, koste es, was es wolle. Und da ist sie dann also wieder: die Schablonenhaftigkeit, auf die man sich bei Unterhaltungsfilmen dieser Tage so fest verlassen kann wie auf das Amen in der Kirche. Wie bei Dan Browns „Sakrileg“, der Mutter aller Verschwörungserzählungen mit klerikalem Hintergrund, sind auch hier verkrustete Machtstrukturen aller Laster Anfang und weibliche Figuren gut beraten, sich nach Art moderner Frauen schnellstmöglich von dieser Art der Geistlichkeit zu emanzipieren, wollen sie ihr wahres Ich finden und nicht verlieren. Denn die Kirche ist nicht Verwalterin der göttlichen Gnade, sondern vermessene Mittelalter-Machtmaschine, die selbst den Antichrist an ihrem Busen nährt. Immerhin das hatte ja schon Martin Luther so gesehen.
Doch statt zu theologischer Tiefe steigt „Das erste Omen“ mit zunehmender Spieldauer immer tiefer hinab in die Beliebigkeit, wird zur austauschbaren Horrorgroteske. Und nicht die extrem gruselige Stippvisite bei „Der Exorzist“ (1973), sondern das kurze Auftauchen von Gregory Peck wird zum cineastischen Höhepunkt des furiosen Finales.