Herrschaftsfreier Dialog braucht kein Latein“, schreibt der Historiker Eberhard Straub in seinem Beitrag „Das Gut und die Wertlosigkeit humanistischer Bildung“ in der Zeitschrift Die Neue Ordnung (Heft 2, April 2024). Der erfolgreiche Erwerb der Talkshowtauglichkeit genüge inzwischen vollkommen. Zwar könne dieser Umstand das demokratische Zusammenleben erleichtern, jedoch äußere sich in der zunehmenden Sprachlosigkeit ein Kulturverlust, wie es ihn noch nie in der an Umbrüchen reichen Geschichte der Alten Welt gegeben habe. Während Antike und Kirche einst für geistig-sittliche Bildung sorgten, herrsche heute unter Europäern ein ununterbrochenes Geschwätz. Doch die europäischen Völker wüßten nichts mehr von ihren Vergangenheiten und könnten gerade deshalb kein unbeschwertes Verhältnis zu ihren Nachbarn gewinnen. Die Weltklugheit klassischer Wirklichkeitswissenschaftler und der lateinische Sinn für Geschichte verlor sich rapide, nachdem man sich von den alten bewähren Denkern Cicero und Cäsar, Sallust und Tacitus, Seneca, Plinius, Marc Aurel und zahllosen anderen verabschiedet habe: „Wie vernunftlose Barbaren taumeln mittlerweile Europäer oder Angehörige der sogenannten westlichen Zivilisation in einem Irrgarten, aus dem sie wegen ihrer Leidenschaften und Fiktionen nicht herausfinden.“ Dies halte sie jedoch nicht davon ab, die Welt nach ihrem Willen zu ordnen und überall einzugreifen, wo sie ihre Interessen mit denen der Menschheit für identisch hielten: „Wo sie intervenieren, schaffen sie Unordnung und Friedlosigkeit.“ Ausgeliefert an die Gegenwart in einer verkehrten Welt ohne Kompaß, verdunkele sich die Gegenwart.
Der Philosoph Heinz Theißen sieht dies ähnlich. Der „Kampf der Kulturen“, den Samuel Huntington in den 1990er Jahren prophezeite, habe Europa längst erreicht, sei jedoch in eine freiwillige Selbstauflösung mangels Selbstbehauptungswillen übergegangen. Während alle anderen Kulturen die Relativierung des Eigenen entrüstet ablehnten, sei der Westen kaum mehr willens, sich als eigenständiger Kulturraum zu definieren. So gelte der Konflikt zwischen dem nationalen Souveränitätsanspruch der Ukraine und den imperialen Ansprüchen Rußlands als bedeutsamer als der geokulturelle Kampf Israels mit dem Islamismus. Diesem tragischen Irrtum liege ein Mangel an begrifflicher Unterscheidung zugrunde. Der russische Autoritarismus, dem es zuerst um die eigene Stabilität gehe, gelte als gefährlicher als ein diesmal religiös motivierter Totalitarismus, dessen Absolutheitsanspruch wesensgemäß mit der Feindschaft gegen Andersgläubige verbunden sei.
Weitere Beiträge befassen sich mit der „Bedeutung und Rezeption Hegels in der „Ritter-Schule’“ und der „Katholischen Wirtschaftsordnung“.
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