© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/24 / 12. April 2024

Der Spion, der aus Kärnten kam
Verfassungsschutz-Affäre: Die Verhaftung eines langjährigen Beamten bringt auch die FPÖ in die Defensive
Robert Willacker

Egisto Ott hatte sich wohl auf ein ruhiges Osterwochenende in seiner Villa in Paternion, im Süden Österreichs, eingestellt. Doch am Karfreitag tauchte plötzlich ein polizeiliches Sondereinsatzkommando auf – und nahm den langjährigen Polizei- und Nachrichtendienstbeamten wegen des Verdachts auf Amtsmißbrauch und Spionagetätigkeit zum Nachteil der Republik fest.

Damit fiel ein zentrales Puzzleteil an seinen Platz, das zusammen mit Hunderten anderen das Bild des größten Spionageskandals in der Geschichte des Landes abgibt. Der Staatsanwaltschaft Wien zufolge soll ein kleiner Kreis aus Nachrichtendienstmitarbeitern des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) jahrelang als Doppelagenten zugunsten Rußlands spioniert haben.

Die Staatsanwaltschaft wirft Ott unter anderem vor, kopierte Smartphones hochrangiger Beamter gestohlen und an den russischen Geheimdienst verkauft zu haben. Auch soll er die Wiener Wohnadresse eines kremlkritischen Journalisten nach Moskau weitergeleitet und im Dienste Rußlands einen abtrünnigen Agenten aufgespürt haben. Mittendrin: Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek, der für Ott offenbar als zentrale Kontaktperson in Moskau fungierte.  

„Eine Insel der Seligen für Geheimdienste der Welt“

Politisch schlägt die Causa hohe Wellen. Die Kanzlerpartei ÖVP und ihr Innenminister Gerhard Karner weisen jede Verantwortung von sich. Sie versuchen, die Affäre dem Ex-Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) umzuhängen, in dessen Amtszeit eine später größtenteils für rechtswidrig erklärte Hausdurchsuchung durch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft im BVT fiel. „Wir wissen, daß Marsalek Termine in Kickls Ressort hatte“, sagte ÖVP-Fraktionsführer im Nationalrat, Andreas Hanger, am Montag. Doch die Taktik dürfte angesichts der langen und auch unter zahlreichen ÖVP-Innenministern florierenden Karriere Otts in den Sicherheitsbehörden nur schwer aufgehen.

Einen juristischen Ausfluß aus der Causa kündigte unterdessen die grüne Justizministerin Alma Zadić an. Spionagetätigkeiten sollen künftig nicht mehr nur dann illegal sein, wenn sie sich gegen die Interessen Österreichs richten, sondern auch, wenn andere Staaten oder Organisationen davon betroffen sind. „Österreich wird vorgeworfen, seit vielen Jahrzehnten eine Insel der Seligen für Geheimdienste aus aller Welt zu sein“, erklärte Zadić.