TikTok, Instagram, Youtube und Co. sind nicht nur triviale Tanzplattformen, sondern haben sich mittlerweile zum echten Schlaraffenland für Meinungen abseits des Mainstreams entwickelt. Influencer füllen den dortigen Raum mit Leben: Statt sich zur besten Sendezeit im linearen Fernsehen zu präsentieren, haben sich konservative, rechte und liberale Meinungsmacher im Internet ihre Nische gesucht.
Und gefunden: An Abonnentenzahlen auf Youtube im sechsstelligen Bereich können sich viele öffentlich-rechtliche Funk-Kanäle ein Beispiel nehmen. Doch nicht nur quantitativ sind die Influencer eine Bereicherung, sondern vor allem für die Meinungsvielfalt. Bei ihnen findet sich die Regierungskritik von konservativ-liberaler Seite, die man bei den öffentlich-rechtlichen sowieso, aber auch bei den privaten Medien viel zu oft vermissen muß.
Die Herangehensweise ist dabei nicht immer gleich: Während es der „Ketzer der Neuzeit“ etwa mit Undercover-Videos oder Straßenumfragen versucht, bevorzugen andere wie Boris von Morgenstern wiederum sachliche Nachrichtenformate. Daraus ergibt sich mittlerweile ein ansehnliches Spektrum an Einfluß auf Medienlandschaft und Debatten im Land.
Wer also ständig nur auf die sozialen Medien geschimpft hat, sollte ihnen nach der Zusammenstellung auf jeden Fall eine neue Chance geben. Denn: Polit-Influencertum gibt es nicht nur von links!
Cedric Solms
Meinungen abseits des medialen Mainstreams frei vor einem Millionenpublikum zu äußern ist im Jahr 2024 keine Selbstverständlichkeit mehr – Cedric Solms wagt es dennoch. Und er kann es sich erlauben: Mit seinen 25 Jahren hat er es schon weiter gebracht als die meisten der Altersgenossen. Er gründete bereits drei Unternehmen zur nachhaltigen Müllverwertung und ist bis heute Geschäftsführer der Social-Media-Marketing Agentur „ForYou“.
Außerdem ist er generationenflexibel: Seine Gedanken äußert er nicht nur bei TikTok für die Altersklasse der unter 20jährigen, sondern schrieb sie sogar auf dem altehrwürdigen Papier nieder: In einem Ratgeber für Jungs ab zwölf Jahren, versehen mit Lebensweisheiten, Rätseln und Herausforderungen.
Als ob das nicht schon ungewöhnlich genug wäre, zeigt er auf TikTok offen seinen christlichen Glauben, trägt das Kreuz sogar in der Bio und äußert sich zudem gehäuft gegen Wokeness und die Vorstellung, es gebe mehr als zwei Geschlechter. Außerdem gibt er Einblicke in seinen Familienalltag, nimmt seine Follower mit auf den Hochsitz zur Jagd. Alles in allem: Haßsprech, wie Nancy Faeser es nennen würde. Doch der kommt offensichtlich gut an: Bei TikTok folgen Solms zwei Millionen Menschen.
TikTok 2 Millionen X – Instagram 42.000 Youtube 162.000
ÖRR-Blog
Jonas Müller hat es sich mit dem ÖRR-Blog zur Aufgabe gemacht, Verfehlungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zusammenzutragen und zu verbreiten. Und das mit Erfolg: Auf X folgen der Seite über 90.000 Accounts, bei Instagram sind es noch einmal fast 20.000 Follower.
Im Kampf gegen die unseriöse Berichterstattung des ÖRR ist der Blog damit mittlerweile zu einem scharfen Schwert geworden. Immer wieder werden personelle Verstrickungen ins Parteienmilieu zum Beispiel bei Interviewpartnern der Sender aufgedeckt, Gehälter kritisiert oder öffentliche Kritik an den Sendern weiterverarbeitet. Die Inhalte sind nicht auf Proll-Protest ausgelegt, sondern mit aufwendigen Grafiken oder auch lustigen Memes gespickt.
Die Reichweite des Kanals ist mittlerweile so bedeutend, bisweilen jedoch noch unverbrannt, daß ihm sogar der Account der Mittelstands- und Wirtschaftsunion oder etwa Dieter Nuhr auf X folgen. Zu ersterer besteht außerdem bereits eine politische Verbindung: Der bloggende junge CSU-Mann Jonas Müller hat hier schon früh seine Passion gefunden: „Schon als Schüler fiel mir auf, daß der öffentlich-rechtliche Rundfunk diese Tendenz hat, erziehen zu wollen“, sagte Müller der JF.
TikTok 0 X 92.000 Instagram 18.000 Youtube -
Ketzer der Neuzeit
Der Ketzer, Leonard Jäger, hat sich innerhalb von wenigen Jahren zum ernstzunehmenden Alternativ-Youtuber gemausert – mit mittlerweile über 400.000 Abonnenten. Die Herangehensweise an seine Videos gleicht dabei der vieler Jugend-Stars auf der Plattform. Nur seine Themenauswahl ist eher ungewöhnlich.
Es gibt Straßenumfragen oder Undercover-Beiträge – Jäger ist ein Mann direkter Feldforschung. Man sieht ihn überall dort, wo er durch seine politischen Positionen möglicherweise anecken könnte: Etwa auf dem Cristopher Street Day (CSD), wo er nackte Männer interviewt oder bei Demonstrationen der Linken und Grünen.
Dort versucht er nicht selten, den politischen Gegner durch tendenziöse Fragen zu entlarven, was ihm häufig auch gelingt. Begleitet wird er ein ums andere Mal von Michelle Gollan, die mit „eingollan“ einen eigenen Kanal betreibt.
Oberthemen des Ketzers sind der Kampf gegen die Trans-Lobby und die dystopischen Auswüchse der Regenbogen-Ideologie. Auch die Spaltung der Gesellschaft thematisiert Jäger, etwa durch die Corona-Pandemie oder den Krieg in der Ukraine.
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Boris von Morgenstern
Boris von Morgenstern. Politische Newstime gepaart mit Interviews und Meinungsstärke: Man sollte fast meinen, „Die Morgenstern Show“ des 29jährigen Youtubers sei die konservative Antwort auf „Lefloid“. Es gibt Hemd statt Hipsterkappe, regierungskritische Bissigkeit statt selbstverliebter Bürgerbelehrung.
Morgenstern ist also nicht der nächste schrille Charakter auf Youtube, sondern ein gründlicher Analytiker, der mit sachlicher Ruhe seine Treffer versenkt: „Im Alltag führt eine kritische Meinung zur Migrationspolitik bereits zur gesellschaftlichen Ächtung. Hochnäsig und arrogant weiter davon zu sprechen, daß man ja alles sagen dürfe, ist für mich ein ziemliches Trauerspiel“, sagt er etwa zum grassierenden Woke-Kult in der Debattenkultur.
Angefangen hat alles jedoch ganz anders: Seit 2017 ist er Soldat der Bundeswehr im Sanitätsdienst. Ein Aufrührer ist Morgenstern sicher nicht, vielleicht hängt das auch mit seinem soldatischen Hintergrund zusammen. Seinen Worten lauschen nach drei Jahren auf Youtube mittlerweile 76.000 Menschen, Tendenz steigend.
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Aktien mit Kopf
Hinter dem Youtube-Kanal „Aktien mit Kopf“ steht der junge Finanzinfluencer Kolja Barghoorn. Angefangen hat der 39jährige vor zehn Jahren mit Videos über Aktien und die Börse.
Mittlerweile spricht er vor seiner halben Million Abonnenten jedoch nicht mehr nur über reine Wirtschaftsthemen. Nachdem er in den vergangenen Jahren ein verblassendes mediales Angebot und die Entwicklung hin zu sozialistischen Tendenzen gespürt habe, verlagerte sich sein Fokus langsam auf politische Inhalte, erzählt er im JF-Interview.
Dennoch macht er auch heute noch Finanzvideos, nur daß nun zusätzlich die Ampelregierung aufs Korn genommen wird. Sorgen machen muß sich Barghoorn jedoch weniger als die Menschen hierzulande: Bereits vor Jahren wanderte er nach Mallorca aus und genießt dort neben der Sonne vermutlich den Blick aufs eigene Depot. Wer noch ein wenig Nachhilfe benötigt, kann sich nicht nur seine Videos anschauen, sondern auf seiner Homepage auch Kurse zum Vermögensaufbau buchen.
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Anabel Schunke
Anabel Schunke ist freie Journalistin, veröffentlichte bisher bei der „Achse des Guten“, Tichys Einblick, in der Weltwoche, der JUNGEN FREIHEIT und der feministischen Zeitschrift Emma. Nach einem kurzen Ausflug zum neuen Medienportal „Nius“ kommuniziert sie ihre Gedanken inzwischen jedoch fast nur noch auf der Plattform X.
Dort gehört sie trotz ihres jungen Alters von 36 Jahren schon zu den Urgesteinen der konservativ-liberalen Blase. Ihr Account zählt mit über 140.000 Followern zu den reichweitenstärksten. Ein Blatt nimmt Schunke trotzdem nicht vor den Mund: Oft geht es in ihren Posts um Versäumnisse im Bereich Migration und Multikulti, auch an Wokeness und der dazugehörigen Trans-Bubble arbeitet sie sich gerne ab.
Während der Focus ihre Postings als haßerfüllt und zynisch bezeichnet, kommt Kritik jedoch nicht immer nur von sensiblen Linken. An Weihnachten etwa brach ein Shitstorm des eigenen Polit-Lagers über die kinderlose Schunke herein, weil sie Familienbilder mit einheitlichen Pyjamas als peinlich betitelte. An der Journalistin prallt jedoch weder die linke noch die rechte Kritik ab: Nicht selten holt sie zum Gegenangriff aus, die Kommentarsektion unter ihren Beiträgen gleicht oft einem Schlachtfeld. Zusätzlich zu den politischen Inhalten ein weiterer nicht zu unterschätzender Unterhaltungswert.
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Feroz Khan
Ein Meinungsmacher mit pakistanischen Wurzeln, der öffentlich zugibt, die AfD zu wählen, ist zwar keine Seltenheit, hat aber an sich schon medialen Unterhaltungswert.
Wenn derjenige zusätzlich noch Ex-Moslem und überzeugter Veganer ist, ist die Aufmerksamkeit garantiert – und Feroz Khan bekommt sie auch. Zu sehen war der Youtuber bereits im WDR, als er die lasche Justiz im Bereich der Sexualdelikte bemängelte und Verständnis dafür aufbrachte, daß Deutsche ihm während der Flüchtlingskrise ab 2015 „Ablehnung“ entgegenbrachten.
Einer größeren Masse an Zuschauern dürfte er allerdings durch seinen Youtube-Kanal „achse:ostwest“ bekannt sein, den er kurz nach seinem TV-Auftritt ins Leben rief. Auf dem hat er mittlerweile über 200.000 Abonnenten um sich geschart und spricht Klartext: „Politisch korrekt ist die Wahrheit“, steht in seiner Kanalbeschreibung, ein Zitat von CDU-Urgestein Wolfgang Bosbach.
So scheut er sich nicht, die mangelnde Integrationsbereitschaft vieler Migranten kritisch zu beleuchten oder gegen die aktuelle Regierungspolitik zu mobilisieren. Zusätzlich demontiert er das Bild der AfD als rechtsextremes Schrecksgespenst und versucht sich so als Brückenbauer. Daß ihm dabei vor allem Unverständnis entgegenschlägt, stört ihn allem Anschein nach nicht.
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Vermietertagebuch
Der Youtube-Kanal „Vermietertagebuch“ von Alexander Raue bietet einen einzigartigen Mix aus Immobilienwissen, Alltagsleben und kontroversen Standpunkten. Raue ist selbständiger Immobilieninvestor und ehemaliger SAP-Berater, teilt seit 2017 sein Wissen und seine Erfahrungen rund um Immobilien, Finanzen und das Leben als Selbständiger, der inzwischen nach Costa Rica ausgewandert ist.
Neben Videos zu Themen wie Finanzierung von Häusern oder Mietrecht finden sich auf dem Kanal auch unterhaltsame Meinungsäußerungen zu Politik und Gesellschaft, die zur linken Mehrheit quer verlaufen. Berliner Mundart und seine direkte Art machen die Videos kurzweilig, auch für Zuschauer abseits des Immobilienmarktes.
Raue eckt gern an, sorgt so für regen Austausch unter den Kommentatoren. Meistgesehen sind seine Videos: „So kaufe ich meine Wohnungen!“, „Mit 38 in Rente?!“ oder „Skandal: Erstes Bundesland enteignet Immobilien“.
In Videos wie „Corona-Diktatur?!“ und „Warum ich die AfD wähle …“ spricht er über Themen, die die Gesellschaft stark polarisieren. Selfmademan Raue teilt seine Gedanken und Erfahrungen gern mit der Welt teilt und mit seinen Zuschauern. Seine Videos sind mal witzig, mal ernst, immer aber authentisch.
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