© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/24 / 12. April 2024

Appetit auf ein Stück vom AfD-Kuchen
Landtagswahl: In Thüringen wollen mehrere Kleinparteien Björn Höcke künftig Konkurrenz machen / Maaßen als „Ministerpräsidenten-Kandidat“
Peter Freitag

Wird Thüringen ein Versuchslabor, ein politisches Experimentiergelände? Zumindest wollen im Freistaat einige aus dem häufig als „bürgerlich“ oder „liberal-konservativ“ bezeichneten Lager ihr Glück versuchen, die es andernorts vielleicht (noch) schwerer hätten. Und das kurioserweise obwohl – oder gerade weil – dort nicht die CDU, sondern die AfD derzeit den Umfragen zufolge der Platzhirsch rechts der Mitte ist. Aktuelle Umfragen sehen die Partei von Björn Höcke bei Zustimmungswerten um die 30 Prozent. Unstrittig auch, daß die AfD nach zwei Legislaturperioden in Fraktionsstärke mittlerweile als etabliert angesehen werden kann. 

Das weckt nun offenbar Begehrlichkeiten bei der Konkurrenz. Beispielsweise von der Werteunion, einst nur ein Verein zur Sammlung des konservativen Unionsflügels, mittlerweile – nach dem Bann aus dem Adenauerhaus – eine eigenständige Partei. Sie verfügt nun über einen Landesverband in Thüringen. Vorsitzender ist Albert Weiler, jüngst aus der CDU ausgetreten, für die er von 2013 bis 2017 im Bundestag saß. Der 58jährige soll auch die Landesliste anführen. Aber: Ministerpräsidenten-Kandidat soll Parteichef Hans-Georg Maaßen sein, der allerdings nicht zur Wahl für den Landtag antritt. Im Freistaat muß der Ministerpräsident nicht Mitglied des Landtags sein. „Unser Anspruch ist es, in Thüringen nach der Landtagswahl mitzuregieren“, bekräftigte der stellvertretende Vorsitzende der Werteunion, Alexander Mitsch. 

Neue Partei setzt auf Devise „Steffi statt Höcke“

In der jüngsten Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Insa im Auftrag der Funke Medien Thüringen erzielte die Werteunion ein Prozent. Laut einer bundesweiten Potentialanalyse im Auftrag der JUNGEN FREIHEIT können sich immerhin zwischen fünf und 15 Prozent vorstellen, ihr Kreuz bei der Werteunion zu machen. Ziel sei es, „zweistellig zu werden“, meinte Spitzenkandidat Weiler. Für eine potentielle Regierungsbildung schließe man keine Partner aus.

Auf „Steffi statt Höcke“ setzt das Bündnis Deutschland, das ebenfalls in das Erfurter Landesparlament einziehen möchte. Spitzenkandidatin Steffi Brönner war einst AfD-Mitglied und Stellvertreterin von Björn Höcke, wegen dessen Kurs sie die Partei schließlich verlassen hatte. Mit der parteilosen Lehrerin und sechs weiteren Kandidaten, darunter ein ehemaliger Oberbürgermeister sowie der frühere CDU-Landtagsnachrücker Ralf Bornkessel, schicke man „erfahrene Kommunal- und Landespolitiker“ ins Rennen, teilte das Bündnis mit. 

Parteichef Steffen Große spricht von einem „überzeugenden freiheitlich-konservativen Gegenangebot“ für die Wähler, da die CDU in Thüringen die linke Minderheitsregierung mit gestützt habe. Mit der einstigen innerparteilichen Kontrahentin Brönner fordere man Höcke persönlich heraus, nicht die AfD. Passend dazu wurde parallel zur Listenaufstellung noch ein „letter of intent“ mit einer der ersten AfD-Abspaltungen, den mittlerweile in Wir Bürger umbenannten Liberal-Konservativen Reformern unterzeichnet. Gestartet wurde damit ein „Verschmelzungsprozeß“ zur Bündelung bürgerlicher Kräfte, dem die jeweiligen Parteitage noch zustimmen müssen. Bei der Bundestagswahl 2021 erzielten die LKR „gerundete 0 Prozent“.

Und dann ist da noch Thomas Kemmerich (FDP). Der 2020 zunächst dank Stimmen von Union und AfD gewählte, dann rückwirkend um sein Amt gebrachte Kurzzeit-Ministerpräsident will es dieses Jahr erneut versuchen – gegen den Willen und ohne finanzielle Mithilfe der Bundespartei. Die fehlenden Gelder will der liberale Spitzenkandidat über Spenden kompensieren. Eine Insa-Umfrage sieht die FDP, die im aktuellen Landtag mit vier Abgeordneten ohne Fraktionsstatus und nur als Parlamentarische Gruppe vertreten ist, derzeit bei zwei Prozent.

Ein weiterer neuer politischer Akteur, der auch in Teilen des Milieus rechts der Mitte „wildern“ dürfte, ist das Bündnis Sahra Wagenknecht. Umfragen sehen es mit aktuell 13 Prozent sicher im Landtag.