© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/24 / 12. April 2024

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Rechnungshof rüffelt Fraktionen
Paul Rosen

Für die Bundestagsfraktionen ist Kay Scheller ein ständiges Ärgernis. Der heutige Präsident des Bundesrechnungshofes war früher selbst in der CDU/CSU-Fraktion tätig und kennt daher den Politikbetrieb von innen. Regelmäßig läßt Scheller seine Prüfer auf den Bundestag los, und die finden immer wieder Verstöße gegen Gesetze und Regeln. 

Schon 2021 kritisierte der Bundesrechnungshof „strukturelle Defizite im Kontroll- und Sanktionssystem“ der Fraktionsfinanzierung. Die Ermittlungen ergaben, daß die Fraktionen Geld für unzulässige Parteienwerbung ausgegeben hatten. Geld ist genug da, denn die Abgeordneten dürfen ihre Budgets praktischerweise selbst festlegen – per Mehrheitsbeschluß bei den Haushaltsberatungen. Das hat dazu geführt, daß den Fraktionen erhebliche Summen zur Verfügung stehen – 126 Millionen Euro waren es im Jahr 2022. Davon bekam die CDU/CSU mit 31,965 Millionen Euro den größten Batzen, die SPD-Fraktion folgt mit 29,862 Millionen an zweiter Stelle. Daß die Union mehr Geld als die an Mandaten größere SPD-Fraktion bekommt, liegt an dem Zuschlag, den Oppositionsfraktionen erhalten. In der Liste folgen die Grünen mit 19,512 Millionen, die FDP mit 16,454, die AfD mit 16,774 und die Linke mit 11,524 Millionen Euro. Hinzu kommen noch Sachleistungen wie Büros im Bundestag, deren Ausstattung mit Technik und die Übernahme von Nebenkosten durch den Steuerzahler. Bei so viel Geld ist die Versuchung groß, auch Wahlwerbung für die Parteien oder für die Wiederwahl von Abgeordneten zu machen, auch wenn das unzulässig ist. Denn wie der Bundesrechnungshof schreibt, sind „die Geld- und Sachleistungen zweckgebunden. Die Fraktionen dürfen sie nur für Fraktionsaufgaben einsetzen und ausdrücklich nicht für Parteiaufgaben.“

Genau das taten die Fraktionen jedoch unisono. Die Rechnungsprüfer untersuchten sogenannte Spots und Tweets, die von Fraktionen im Jahr 2021 in den Wochen vor der Bundestagswahl in sozialen Medien plaziert worden waren. Ergebnis: „Bei der Nutzung sozialer Medien verwenden die Fraktionen des Deutschen Bundestages Bundesgelder auch zweck- und damit auch regelwidrig“, teilte Scheller mit. Er forderte präzisere Regeln und Sanktionen. Denn bei Sanktionen (Mittelkürzungen) würden Verstöße gegen Regeln unattraktiv. 

Bei den Prüfungen stellte sich heraus, daß besonders oft die Spots und Tweets von SPD- und Linksfraktion gegen die Vorschriften verstießen. Bei den anderen Fraktionen war es aber nur wenig besser. Die Sozialdemokraten hielten dagegen: Eine Unterrichtung der Öffentlichkeit dürfe ihrer Ansicht nach mit parteipolitischen Botschaften aufgeladen sein. Und die Linke argumentierte, eine Abgrenzung sei wegen der persönlichen und inhaltlichen Überschneidung von Fraktionen und Parteien nur schwer möglich. 

Die Politiker müssen Scheller noch eine Zeitlang ertragen. Seine Amtszeit wird voraussichtlich erst im Mai 2026 mit Erreichen der Altersgrenze enden.