Sie gehören zu den Profiteuren des Gaza-Kriegs. Nach dem Überfall der palästinensischen Terrororganisation Hamas auf israelische Grenzsiedlungen und dem darauffolgenden Einmarsch Israels in Gaza haben islamistische Organisationen Zulauf. Eine davon ist die Gruppe „Muslim Interaktiv“, über deren Rekrutierungsmethoden und Pläne zur Errichtung eines islamistischen Gottesstaates die JUNGE FREIHEIT bereits vor einem Jahr berichtet hatte (JF 13/23).
In den vergangenen Wochen nutzte die Gruppe den Fastenmonat Ramadan, um für ihre radikale Ideologie und die Errichtung eines Kalifats zu werben. Besonders in Berlin, Nordrhein-Westfalen und Hamburg ist die Organisation aktiv. Ihr zentraler Treffpunkt in der Elbmetropole: das „Elite Eventhouse“ im Bergedorfer Stadtteil Allermöhe. „Muslim Interaktiv“ nutzte den Ort in den letzten Wochen für mehrere Geheimtreffen, an denen rund 200 Anhänger teilgenommen hatten. Das Publikum: ausschließlich junge muslimische Männer, die zumeist in aufgemotzten Oberklasse-Limousinen anreisen.
Auf Demonstrationen treten sie in schwarzen Kapuzenpullovern auf, hetzen gegen Israel und fordern die Einheit des Islams. Dabei gibt sich die Gruppe betont lässig und jugendlich, will vor allem junge Menschen über die sozialen Medien für ihren religiösen Fanatismus gewinnen. Ihre Videos sind professionell gestaltet. Immer wieder versuchen die Protagonisten darin, ihre Gruppe und den Islam als Opfer darzustellen, das von der deutschen Gesellschaft diskriminiert werde. Von „Zwangsassimilation“ und einer „Wertediktatur“ ist da die Rede.
Politiker fordern Verbot der Gruppierung
Schon einige Jahre zuvor versuchten Gruppen wie „Generation Islam“ und „Realität Islam“ in der Hansestadt mit ähnlichen Aktivitäten, Mitstreiter zu gewinnen. Ihren Ursprung haben sie zumeist in der 1953 gegründeten Organisation Hizb ut Tahrir, die wiederum aus der Muslimbruderschaft hervorgegangen ist. Ihre Ziele: die „Befreiung“ Palästinas von der „Besetzung“ Israels sowie die „Befreiung“ der Muslime vom Kapitalismus und westlichen Werten. In Deutschland ist Hizb ut Tahrir mit einem Betätigungsverbot belegt. Offensichtlich mit ein Grund dafür, warum ihre Anhänger neue Gruppierungen ins Leben rufen, um so das Verbot zu umgehen.
Mittlerweile schlägt auch der Inlandsgeheimdienst Alarm. Bei den Treffen im „Elite Eventhouse“ gehe es nur vordergründig um den Ramadan, warnt etwa Hamburgs Verfassungsschutzpräsident Torsten Voß. Vielmehr sei es Ziel der Gruppe, möglichst viele Leute unter dem Vorwand des Fastenbrechens für den Haß auf Israel und den Westen zu gewinnen.
Unterdessen ist es in der vergangenen Woche erneut zu einem Treffen am selben Ort gekommen. Wer Räume an solche Gruppen vermiete, mache sich mit ihnen und ihrer Ideologie gemein, hatte der innenpolitische Sprecher der Hamburger CDU-Bürgerschaftsfraktion, Dennis Gladiator, indirekt auch den Betreiber der Lokalität kritisiert, hinter dem sich die Firma EEC Events GmbH verbirgt. Deren Geschäftsführer Esmarai Amirzada betreibt darüber hinaus einen Partyservice im Hamburger Stadtteil Billstedt. Auch auf einer Pro-Palästina-Kundgebung am 3. November vorigen Jahres in Essen mit 3.000 Teilnehmern, auf der zahlreiche islamistische Banner gezeigt und die Errichtung eines Kalifats gefordert wurde, war „Muslim Interaktiv“ mit von der Partie. Anmelder der damaligen Demonstration: die Gruppe „Generation Islam“. Als deren führender Kopf gilt Ahmad Tamim, ein 34 Jahre alter Deutsch-Afghane, der sich als Palästinenser ausgibt. „Generation Islam“ wiederum ist personell eng mit „Muslim interaktiv“ verflochten; beide Gruppierungen sind in weiten Teilen deckungsgleich.
Bereits damals hatte Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) ein Verbot von „Muslim Interaktiv“ gefordert. Nach dem Bekanntwerden der jüngsten Treffen verlangt auch die AfD in der Hamburger Bürgerschaft, der rot-grüne Senat solle ein Verbot der islamistischen Gruppierung prüfen und ein entsprechendes Verfahren gegebenenfalls in die Wege leiten.
Weil es sich jedoch um eine bundesweit agierende Organisation handelt, fällt ein Verbot in die Zuständigkeit von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Und dort schweigt man beharrlich zu dem Thema. Bis heute.