© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/24 / 12. April 2024

Viel Trubel um angebliche Rubel
Bestechungsvorwürfe: AfD-Europakandidat Petr Bystron weist Medienberichte zurück, er habe Geld aus Rußland bekommen
Henning hoffgaard / Christian Vollradt

Das Phänomen ist hinlänglich bekannt und keineswegs auf die AfD beschränkt: Was offiziell nach außen kommuniziert wird, unterscheidet sich von dem, was unter der Hand gesagt wird. Und genau so läuft es auch bei der aktuellen Aufregung um die Vorwürfe gegen den Europawahl-Kandidaten Petr Bystron. Dem 51jährigen AfD-Politiker, der im tschechischen Olmütz geboren wurde und seit 2017 für die AfD im Bundestag sitzt, wird vorgeworfen, Gelder eines prorussischen Propaganda-Netzwerkes um den aus der Ukraine stammenden Millionär und Putin-Vertrauten Wiktor Medwedtschuk angenommen zu haben. 

Einem Bericht der tschechischen Tageszeitung Denik N zufolge hat der Geheimdienst BIS in einer geheimen Sitzung die Regierung in Prag informiert, man verfüge über „dokumentierte Beweise“ in Form von Tonaufnahmen. Diese sollen belegen, daß Bystron über die bisher im Nachbarland ansässige prorussische Plattform „Voice of Europe“ Geldzahlungen empfangen habe.

Wäre Geld geflossen, würde man unglaubwürdig

Bystron weist dies zurück und sieht hinter den Vorwürfen eine Kampagne „globalistischer“ Kräfte. Damit sollen seiner Meinung nach „Oppositionspolitiker in mehreren europäischen Ländern beschädigt und kritische Journalisten zum Schweigen gebracht“ und jeder, „der sich für den Frieden und gegen die Fortsetzung des Krieges in der Ukraine einsetzt, als russischer Agent diffamiert werden“, schrieb der Abgeordnete. Gegenüber der JUNGEN FREIHEIT unterstrich Bystron, den Empfang von Geldzahlungen aus Rußland oder von prorussischen Ukrainern ausschließen zu können. Interviews gebe er „grundsätzlich jedem Medium“, auch jenen, die wie „Voice of Europe“ oder andere „im Westen diffamiert“ würden. 

Am Montag nun mußte der bayerische AfD-Politiker dem Bundesvorstand Rede und Antwort stehen. Dort habe Bystron den gegen ihn erhobenen Vorwürfen „vehement widersprochen“. Die Parteiführung setze sich für eine „umfassende Aufklärung“ ein. Man fordere alle diejenigen, die behaupten, über Indizien und Beweise zu verfügen, auf, diese in die Ermittlungen einfließen zu lassen. Wörtlich heißt es in der Erklärung der Parteivorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla: „Zum jetzigen Zeitpunkt muß der Bundesvorstand von der Unschuld Herrn Bystrons ausgehen.“ Damit enthält der Treueschwur zwei Einschränkungen – „zum jetzigen Zeitpunkt“ und „muß“.

Tatsächlich war man in der AfD-Führung gelinde gesagt „not amused“ über die aktuellen Enthüllungen. Das alles sei ein „denkbar schlechter Start“ in den Europa-Wahlkampf, hieß es vergangene Woche aus Parteikreisen gegenüber der jungen freiheit. Mit dem Fokus auf Bystron ist nun AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah, der ebenfalls von „Voice of Europe“ interviewt worden war und unmittelbar vor Kriegsausbruch prorussische Politiker in der Ukraine getroffen hatte, zunächst etwas aus der Schußlinie geraten. Während Bystron zufolge die Vorhaltungen aus Prag allesamt unglaubwürdig sind, dreht der EU-Abgeordnete den Spieß quasi um, als er im Gespräch mit der jungen freiheit ausschloß, „Gelder aus Rußland bekommen zu haben“: Das habe ja nun mittelbar sogar der tschechische Geheimdienst bestätigt. Daß er, Krah, mit dem Portal „Voice of Europe“, über das gezielt russische Propaganda verbreitet worden sein soll, gesprochen habe, bewertet er als unproblematisch. Und er habe auch noch nie erlebt, daß Wähler oder potentielle Wähler, die die Positionen der AfD teilten, damit ein Problem hätten, wenn Politiker wie er mit russischen Medien im Gespräch seien. „In der Ukraine-Frage orientieren wir uns in erster Linie an deutschen Interessen“, meinte Krah. Wäre jedoch Geld geflossen, dann würde man unglaubwürdig, räumt er ein.

Daher habe er seinem Parteikollegen Bystron zunächst geraten, sich nun erst einmal ganz auf das Ausräumen der Vorwürfe zu konzentrieren. „Ansonsten würde es doch bei jedem seiner öffentlichen Auftritte nur um dieses Thema gehen“, so Krah. Dies meine er als „Empfehlung unter Freunden“, denn momentan sei die Situation auch „menschlich unheimlich belastend“. 

Der tschechische Inlandsgeheimdienst teilte unterdessen mit, eine Veröffentlichung sei nicht geplant, da es sich um geheimes Material handele. Es sei auch nicht üblich, dieses mit anderen Geheimdiensten auszutauschen. In der vergangenen Woche kündigte die Generalstaatsanwaltschaft München an, sich mit dem Fall zu beschäftigen. „Wir haben ein Vorermittlungsverfahren eingeleitet und prüfen derzeit die Erkenntnisse.“ Nach Informationen der Bild-Zeitung soll „belastendes Material“ aus Tschechien beim Verfassungsschutz gelandet sein, das nun von deutschen Ermittlern ausgewertet werde.

Bystron hat angekündigt, juristische Schritte dagegen zu erwägen. Sollten nicht sehr zeitnah Belege für eine Geldannahme und eine versprochene Gegenleistung vorgelegt werden, sei erwiesen, daß eine „politische Aktion eines Geheimdienstes gegen die AfD“ im Gange sei. Die These stößt in Chatgruppen der Partei durchaus auf positive Resonanz. Der Tenor dann: die Reihen schließen, „Solidarität mit Petr!“ Auch in der AfD-Bundestagsfraktion vertritt man nach außen die Linie, daß die bisherigen Vorwürfe und Anschuldigungen „ohne Substanz“ seien, wie der Erste Parlamentarische Geschäftsführer, Bernd Baumann, am Dienstag vor Journalisten sagte. Solange dies so bleibe, „ist Petr Bystron Teil der Fraktion“, bekräftigte Baumann. 

Wer sich jedoch in Partei oder Fraktion umhört, vernimmt zuweilen dann eine – nicht zum wörtlichen Zitieren gedachte – nachgeschobene Bemerkung: Es fiele leichter, die unbewiesenen Vorwürfe zurückzuweisen, wenn man Bystron nicht grundsätzlich zutrauen würde, daß sie eben doch zuträfen. Tatsächlich ist der derzeitige außenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion ein international umtriebiger Netzwerker mit guten Beziehungen sowohl zu EU-kritischen osteuropäischen Parteien als auch zu Donald-Trump-nahen Republikanern in den USA. Kritiker monierten dabei in der Vergangenheit schon häufiger, seitens der Fraktionsführung habe man Bystron zu oft unabgestimmte „Solo-Auftritte“ durchgehen lassen, etwa im November 2022 seine Reise in die weißrussische Hauptstadt Minsk, wo er Vertreter des Regimes von Alexander Lukaschenko traf.