Wie verteidigen sich kleine Völker und Kulturen in einem auf den ersten Blick aussichtslosen Kampf gegen überlegene Hegemonialmächte? In neun spannenden Essays erzählt Andreas Abros quer durch eine mehr als zweitausendjährige europäische Geschichte, von der Antike bis zur Neuzeit, anschaulich und packend von Erhebungen, in denen Menschen für die Freiheit und die Kultur ihrer Völker aufstanden. Fast immer hatten sie erhebliche Auswirkungen auf den Fortgang der eigenen Geschichte und oft gehörten sie nicht zu den Siegern, mußten sich mit Niederlagen abfinden, den Widerstand einstellen oder führten ihn über Jahrzehnte und auch Jahrhunderte weiter. Ihre Gegner waren große überlegene Imperien und Mächte, die die gewachsenen Identitäten mißachteten und gewaltsam versuchten, eine völkerübergreifende Herrschaft durchzusetzen und deren Kultur umzuformen.
Die Historie beginnt mit dem 2. Jahrhundert v. Chr., mit dem Freiheitskampf der Makkabäer gegen die nahöstliche Großmacht der Seleukiden, einem der Diadochenstaaten Alexanders des Großen. Die Ereignisse um die Makkabäer sind Bestandteil der kanonischen Bibel und Bezugspunkt jüdischer Identität.
Europa muß sich wieder auf seine verschiedenen Identitäten besinnen
Das zweite Essay behandelt den Aufstand der Keltenkönigin Boudicca gegen die römische Expansion unter Kaiser Claudius (43 n. Chr.) Der Aufstand wurde niedergeschlagen, doch einen imperialen Kosten-Nutzen-Mehrwert hatte die expansive Überdehnung für die Römer nicht. Der Widerstand der Kelten wird in „Wächter Schottlands“ im fünftten Essay noch einmal ausführlich beschrieben. Unverständlich bleibt allerdings, daß nach zweimaliger Schwerpunktsetzung der andauernde Widerstand der Nachkommen der Kelten in der Bretagne keine Erwähnung findet. Die Auswanderung aus Britannien auf die bretonische Halbinsel war eine Folge hundertjähriger Unterdrückung keltischer Kultur. Heute findet dort die Wiederbelebung einer fast erloschenen Kultur statt, was in der Pflege der Sprache zum Ausdruck kommt.
Die christlich-imperialen Ambitionen Karls des Großen und sein Massaker an den „heidnischen“ Sachsen werden kritisch behandelt. Ausführlich beschäftigt sich Ambros mit dem Freiheitskampf der Südtiroler gegen italienische Besetzung und die Unerbittlichkeit der Faschisten in dieser Frage. Ein glückliches Ende sieht er allerdings nur in einem vereinigten Tirol in einem österreichischen Staat.
Mit der Beschreibung der Ursache der Brände auf dem Balkan aus der blutigen Wahnidee einer erzwungenen Vereinigung von Völkern und Nationen, die kulturell, religiös und wirtschaftlich nicht unterschiedlicher hätten sein können, finden die historischen Betrachtungen der Erhebungen ihr Ende.
Interessant auch das Schlußkapitel mit dem Blick auf die EU und die Rolle ihrer Institutionen. Diese stehen für ein eigentlich nicht-europäisches Europa, vollgestopft mit US-amerikanischem Kulturimperialismus von woker Diversity- und LGBTQ-Ideologie. Angesichts dieser Zumutungen muß Europa anders gestaltet werden. Ein Europa, in dem Identität gleichzeitig vielfältig und verbunden ist mit National- und Regionalstolz. So kann der Kontinent sich auf seine Geschichte besinnen, die einmal die Welt verzaubert hat.
Andreas Abros: Identitäre Erhebungen.Streifzüge durch die europäische Geschichte. Gerhard Hess Verlag, Uhingen 2023, broschiert, 316 Seiten,22 Euro