Vor siebzig Jahren begann der Stern von Joseph McCarthy, dem Leiter des Senatsausschusses "Commitee on Government“, zu sinken. Und in Zeiten einer Presselandschaft, die erneut erschütternde Beispiele für Mitläufertum, Opportunismus und charakterloses Heulen mit den Wölfen liefert, lohnt sich der Blick auf den Mann, der durch konsequent an den Fakten und nicht am gesellschaftlich Erwünschten orientierten Journalismus entscheidenden Anteil daran hatte: den CBS-Moderator Edward R. Murrow (1908–1965).
Der Studioredakteur der Live-Nachrichtensendung „See It Now“ war zweifellos ein „Journalist der Haltung“, nur war diese Haltung nicht abhängig von gesellschaftlichen Stimmungen und Strömungen, sondern von der Wahrheit und den verfassungsmäßig garantierten Bürgerrechten. In diesem, also im besten Sinne war Murrow ein Verfassungspatriot.
Bereits Kontaktschuld genügte für existentielle Sanktionen
Das Duell zwischen Senator McCarthy und der Nachrichtenredaktion des Columbia Broadcasting System (CBS) begann mit der Einstufung eines Leutnants der Reserve der Luftwaffe, Milo Radulovich, als Sicherheitsrisiko. Grundlage dafür war eine Art US-amerikanischer Radikalenerlaß, der jeden mit Entlassung oder Berufsverbot bedrohte, der Verbindungen zur kommunistischen Bewegung hatte. Dem McCarthyismus – so nennt man seit damals die bürgerrechtswidrige Hatz auf Menschen mit der falschen Gesinnung – genügten selbst vageste Anhaltspunkte, etwa die Bekanntschaft mit einem mutmaßlichen Kommunisten, für den entsprechenden Verdacht. Bei Radulovich war es die Lektüre einer serbischen, offenbar Tito-freundlichen Zeitung durch seinen Vater, die ihm einen solchen Kontaktschuld-Vorwurf einbrachte. Radulovich weigerte sich, Vater und Schwester als Kommunisten zu denunzieren, und wurde ohne offizielles Verfahren aus der Armee entlassen. Die nachrichtendienstlich ermittelten Gründe wurden als Geheimsache in einem versiegelten Umschlag verwahrt.
Durch einen Zeitungsbericht der Detroit News wurden Murrow und sein Produzent Fred Friendly Ende 1953 auf den Fall aufmerksam. Für die McCarthy-kritischen Journalisten ein gefundenes Fressen und ein idealer Gegenstand für das von ihnen verantwortete Magazin „See It Now“. Damit begann ein Kleinkrieg zwischen McCarthy und CBS News.
Am 9. März 1954 fuhr die Redaktion das denkbar schwerste Geschütz gegen McCarthy auf: Friendly und Murrow konfrontierten ihn und die Zuschauer mit seinen eigenen Worten. Der Senator aus Wisconsin hatte beispielsweise zwei Jahre zuvor gewarnt, daß der Kampf gegen den Kommunismus nicht zu einem Kampf zwischen den beiden großen politischen Parteien und infolgedessen dazu führen dürfe, daß eine von ihnen auf der Strecke bliebe. Und sie entlarvten das, was heute als „Framing“ bezeichnet wird. Mit willkürlichen Etiketten wie „subversiv“, „Tarnorganisation“ oder „Handlanger“ versah der Senator reihenweise Personen und Organisationen, die lediglich von ihrem Recht auf Versammlungs-, Meinungs- bzw. Pressefreiheit Gebrauch gemacht hatten. Selbst Bürgerrechtsbewegungen, die Menschen unterstützten, die vor den Ausschuß geladen waren, konnten so ins Visier genommen werden.
Am Fall der Afroamerikanerin Annie Lee Moss, die seit 1950 im Pentagon als Übermittlerin codierter Nachrichten beschäftigt war und dem Ausschuß Rede und Antwort stehen mußte, demonstrierten die CBS-Reporter, daß Verhöre einzig auf Gerüchten und Hörensagen basierten. Zeugen konnten aus Geheimhaltungsgründen nicht benannt werden, weil sie verdeckt fürs FBI arbeiteten.
Am 6. April 1954 wurde McCarthys Replik auf die Vorhaltungen der „See It Now“-Reporter ausgestrahlt. Der Sender hatte dem Ausschußvorsitzenden eine unkommentierte Gegendarstellung eingeräumt. Er diffamierte Murrow darin als „das Symbol, den Anführer und das Gehirn des Schakalrudels, das ständig jedem an die Gurgel geht, der es wagt, einzelne Kommunisten und Verräter bloßzustellen“. Außerdem beschuldigte er Murrow – ohne Beweise dafür vorzulegen –, zwanzig Jahre zuvor selbst aktiv kommunistische Propaganda betrieben zu haben und Mitglied der „subversiven“ internationalen Arbeiterunion gewesen zu sein, was dieser bestritt. Statt die gegen ihn vorgebrachten Argumente zu entkräften, fuhr McCarthy in bewährter Manier neue, schärfere auf, die allerdings wieder vor allem auf Gerüchten und Konstruktionen fußten.
Der schmale Grat zwischen Nachforschung und Verfolgung
Murrow machte das zum Thema der nächsten Sendung und argumentierte: Er glaube daran, daß mündige Staatsbürger in kontroversen Debatten „die unterschiedlichsten Ideen mit Kommunisten diskutieren können, ohne kontaminiert oder konvertiert zu werden“. Man müsse vor diesen Ideen keine Angst haben. Ein überzeugter Demokrat, so Murrows Überzeugung, muß Argumente nicht fürchten, wenn er in seinen eigenen fest gegründet ist. McCarthy habe den schmalen Grat zwischen Nachforschung und Verfolgung verlassen. Murrow: „Wir können die Freiheit nicht außerhalb des Landes verteidigen und sie hier aufgeben.“
Kurz darauf wurde Radulovichs Entlassung rückgängig gemacht und der Vorwurf des „Sicherheitsrisikos“ kassiert. Infolge der CBS-Kontroverse ermittelte der Senat im Rahmen der sogenannten „Army-McCarthy-Hearings“ nunmehr gegen den Ausschußvorsitzenden selbst. Das Ergebnis war eine Rüge für seine Untersuchungsmethoden und seine unverhältnismäßigen Angriffe auf andere Senatoren und Ausschußmitglieder. McCarthy mußte daraufhin den Ausschußvorsitz abgeben und verlor seinen Einfluß. Damit endete, auch wenn der Kommunistenjäger bis zu seinem Tod am 2. Mai 1957 Senatsmitglied blieb, die bis heute nach ihm benannte Ära.
Am 25. Oktober 1958 hielt Ed Murrow eine bemerkenswerte Rede vor der Versammlung der Radio Television News Directors Association (RTNDA), die George Clooney, der die Murrow-McCarthy-Affäre 2005 zum Inhalt eines Dokudramas machte, an den Anfang seines Films „Good Night, and Good Luck“ stellte. Darin attestiert Murrow, der sich ungern mit einer Sache gemein machte, seiner Branche „Dekadenz, Eskapismus und Abschottung von den Tatsachen der Welt“ sowie „eine anerzogene Allergie gegen unangenehme oder verstörende Informationen“. Das Fernsehen diene hauptsächlich dazu, „uns abzulenken, irrezuführen, zu amüsieren und zu isolieren“.
Als Clooneys Film am 6. April 2006 auch hierzulande in die Kinos kam und im „Heute-Journal“ des ZDF vorgestellt wurde, würdigte Claus Kleber Murrow als Vorbild für redlichen Journalismus, auch für ihn selbst.