© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 15/24 / 05. April 2024

Eine unabhängige Million Euro
„Jahr der Nachricht“: Das Innenministerium fördert ein Projekt mit enger Verbindung zur dpa
Gil Barkei

Die Deutsche Presse-Agentur, gegründet 1949, ist mit ihren gut 170 Gesellschaftern von ARD-Anstalten bis zu Zeitungsverlagen ein Medien-Urgestein der Bundesrepublik. Und sie ist Dreh- und Angelpunkt der Berichterstattung: Kaum ein Blatt, TV-Kanal, Radiosender oder Online-Angebot kommt ohne dpa-Meldungen und -Fotos aus. Hunderte Redaktionen sind Kunden. Als ein solch elementares Herzstück der „Vierten Gewalt“ sollte die dpa unabhängig sein. Doch bei einer zentralen Kampagne dieses Jahres, bei der die dpa federführend wirkt, ist das Bundesinnenministerium (BMI) unter Nancy Faeser (SPD) als Geldgeber involviert. 

2024 wurde zum „Jahr der Nachricht“ erklärt. Leiterin des Großprojekts gegen „Des­in­for­ma­tion, Fakes und Manipulation“ ist die dpa-Marketing-Managerin Vanessa Bitter. Slogan: „Vertraue Nachrichten, die stimmen statt Stimmung machen“. Zum Start sollen Schulklassen mit Lokalredaktionen „verknüpft“ werden. Es gibt mehrere Projekte wie das interaktive TikTok-, Instagram- und Youtube-Format „Social News Daily“, das 14- bis 24jährigen einen Einblick in eine Nachrichtenredaktion bieten möchte. Bei bundesweiten „Newscamps“ können Jugendliche eigene Inhalte zusammen mit jungen Journalisten produzieren und dabei den Umgang mit Falschinformationen lernen. Beim ersten Newscamp wurde zum Beispiel gemeinsam mit NDReinfach.Medien beleuchtet, wie in sozialen Netzwerken über die Bauernproteste berichtet wird.

Desinformation schürt Mißtrauen gegenüber dem Staat

Förderer von „Jahr der Nachricht“ ist neben dem Bildungsmedienverlag Westermann, der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) und der Madsack-Stiftung auch das Bundesinnenministerium. Zu den Partnern gehört ausgerechnet das Portal Correctiv, das mit teilweise falschen Berichten über ein „Geheimtreffen“ in Potsdam, bei dem angeblich „Deportationen“ geplant worden seien, für den größten Fake der jüngsten Vergangenheit gesorgt hat. Zudem lassen einige Formulierungen den Betrachter hellhörig und stutzig werden.

So „schürt“ Desinformation laut den Verantwortlichen „Mißtrauen gegenüber Staat und Demokratie“, führe zu „Selbstgefährdung z.B. durch falsche Informationen zu Impfungen und Medikamenten“ und fördere die „Spaltung der Gesellschaft“. Das hört sich stark nach den üblichen Verlautbarungen und Warnungen von Ampel-Politikern an – denen oft selbst vorgeworfen wird, zu den größten Spaltern zu gehören. Wird hier also ein vermeintlich unabhängiges Projekt mit enger Verbindung zur dpa mit Steuergeldern mitfinanziert, das Kritik und Distanz gegenüber Staat und Regierungshandeln – einst Tugend von Journalisten – als „Fake News“ diskreditiert? Ausgerechnet während viele Pandemie-Maßnahmen momentan in einem anderen Licht erscheinen (Seite 7). Als „Faktenchecks von Profis“ wirbt „Jahr der Nachricht“ für das WhatsApp-Nachfrage-Angebot von Correctiv und von der dpa sowie für den „German-Austrian Digital Media Observatory“, eine Faktencheck-Suchmaschine für die Redaktionen von Correctiv, dpa und weiteren Nachrichtenagenturen. 

Julian Reichelt vom Nachrichtenportal Nius spricht angesichts dieser Verpflechtungen von einem „Medien-Skandal“: „Die Regierung, die uns mit dem Wort ‘nebenwirkungsfrei’ belogen hat und uns entgegen aller Schwüre eine Impfpflicht aufzwingen wollte, bezahlt jetzt die dpa, um falsche Informationen zu Impfungen zu bekämpfen.“ Der frühere Bild-Chef zeigt sich in einem Online-Kommentar empört: „Journalisten nehmen Geld von der Regierung, um in Zukunft ‘Nachrichten, die stimmen’ über die Regierung zu verfassen.“

Das Innenministerium gibt auf JF-Anfrage an, „Jahr der Nachricht“ für den Zeitraum „vom 1. November 2023 bis 31. Dezember 2024 bis zu einem Höchstbetrag von einer Million Euro“ zu fördern. Faesers Haus betont jedoch, daß die UseTheNews gGmbH als Projektträger fungiert und nicht die dpa. Die „produzierten und verbreiteten Inhalte“ würden außerdem „unabhängig vom BMI erstellt und geben nicht die Position der Bundesregierung wieder“. Darüber hinaus kooperiere „die bpb in den Haushaltsjahren 2023 und 2024 mit der UseTheNews gGmbH bei der Durchführung des ‘Jahres der Nachricht’. Die bpb hat im Rahmen dieser Kooperation für 2023 und 2024 Haushaltsmittel in Höhe von jährlich 30.000 Euro eingeplant“. Ziel der Förderung aus Sicht des BMI: „die Sensibilisierung der Öffentlichkeit sowie die Stärkung der Resilienz gerade der jüngeren Bürgerinnen und Bürger gegenüber der gezielten Verbreitung von Desinformation.“ Eine Frage, wieviel Geld die dpa direkt vom BMI pro Jahr bekommt, blieb unbeantwortet. Also alles ganz strikt voneinander getrennt und unabhänbgig?

Zu den Initiatoren von Use the News gehört neben der Stadt Hamburg, der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg und dem Hans-Bredow-Institut allerdings ebenfalls die dpa. Unter den Medienpartnern finden sich unter anderem RTL, ARD & ZDF, das Deutschlandradio, zahlreiche Landesmedienanstalten, Stiftungen, Agenturen und Verbände, der Spiegel, die Funke-Mediengruppe und wieder die bpb, die als Bundesoberbehörde ebenfalls zum Geschäftsbereich des BMI gehört. Hinzu kommen Partnerschulen und Bildungspartner wie „Reporter ohne Grenzen“ und das „Grimme-Institut“. Das „Who is who“ der deutschen Medienlandschaft also – aber auch ihrer Kontrolle.

Use the News erforscht seit 2021 die „Nachrichtennutzung und -kompetenz junger Menschen und entwickelt neue Informations- und Bildungs­angebote“. In der eigenen „NewZee-Community“ sollen sich Vertreter der Generation Z mit „Journalist:innen“ und „Lehrer:innen“ austauschen. Im „News Literacy Lab“ tüfteln Journalisten, Wissenschaftler und Produktentwickler an neuartigen Formaten. Und unter der Bezeichnung „Open News Education“ werden „Bildungsangebote, Unterrichtsmaterialien und Fortbildungen für Lehrkräfte entwickelt“.

„Gefahr für die Meinungsfreiheit und -vielfalt“

Der stellvertretende Bundessprecher der AfD, Stephan Brandner, sieht in der „staatlichen Finanzierung“ eine „Gefahr für die Meinungsfreiheit und -vielfalt“. Er bemängelt: „Gerade in einer Zeit, in der seitens der Bundesregierung nahezu täglich Angriffe auf die Meinungsfreiheit stattfinden, der zulässige Meinungskorridor immer enger wird und Fehler der Regierenden dramatische Ausmaße annehmen, ist es nicht hinnehmbar, wenn durch den Staat Millionenbeträge in Medien fließen.“

Selbst die linke taz, die das Engagement gegen Desinformation – püntklich zum 75. Geburtstag des Grundgesetzes und somit zu Artikel 5 der Meinungs- und Pressefreiheit  – insgesamt begrüßt und verteidigt, übt Kritik: „Trotzdem – fehlende Transparenz bei der Förderung des ‘Jahrs der Nachricht’ tut der Initiative nicht gut. Sie macht sich so angreifbarer für Kritik, gegen die sie eigentlich kämpfen wollte.“