Wenn große Kulturen ihre geistige Bindekraft verlieren, dann schlägt die Stunde des „inneren Proletariats“. So nennt der britische Geschichtsdenker Arnold J. Toynbee (1889–1975) jene Masse von Unzufriedenen, die sich im Bestehenden nicht materiell benachteiligt, sondern spirituell entfremdet und dem Gesellschaftskörper nicht mehr zugehörig fühlen. Ein solches inneres Proletariat erkennt der Publizist Simon Kießling in der heute hegemonialen „postmodernen kulturellen Linken“, den Verfechtern der „Wokeness“ und der Klimaideologie (Tumult, 1/2024). Deren Weltanschauung wachse sich derzeit zur globalisierten Religion aus, die christliche Glaubensinhalte in säkulare Heilsziele und Erlösungshoffnungen überführe. Anders als die ältere Widerstandsbewegung des marxistischen Proletariats setze diese Version des inneren Proletariats nicht auf Klassenkampf und Gewalt, sondern auf Erschütterung der ethnisch-sozialen Stabilität westlicher Nationen durch Masseneinwanderung, auf postkoloniale Schuldmetaphysik, die den Selbstbehauptungswillen der abendländischen „weißen“ Völker untergräbt und auf die Anpreisung von Lebensformen, die die „heteronormative“ Familie ablösen sollen. Pendant dieser unter der Regenbogenfahne propagierten „Universalreligion“ sei die Utopie des „Universalstaats“. Aber anders als Hegel, Marx, Spengler und Toynbee will Kießling aus den gegenwärtigen Universaltrends keine Entwicklungslogik ableiten. „Die Geschichte bleibt offen“, so daß Völker ihr Schicksal auch in die eigene Hand nehmen und sich universalen Verfügungsansprüchen entgegenstellen könnten. (ob) www.tumult-magazine.net