© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 15/24 / 05. April 2024

Zahl der Kontoabfragen auf 1,4 Millionen gestiegen
Der gläserne Bürger
Jörg Fischer

Der grüne Umweltminister Jürgen Trittin hat vor zwanzig Jahren nicht gelogen: Die „erneuerbaren Energien“ kosteten damals einen Durchschnittshaushalt tatsächlich nur „so viel wie eine Kugel Eis“. Auch das am 1. April 2005 in Kraft getretene Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit erlaubte dem Bundeszentralamt für Steuern zunächst nur den Kontenabruf in engen Grenzen. Doch fünf Monate später wurde Rot-Grün abgewählt und unter den folgenden Merkel-Regierungen stiegen nicht nur die deutschen Energiepreise in ungeahnte Höhen, sondern auch das Bankgeheimnis wurde praktisch aufgehoben.

So wurde 2007 den Arbeitsagenturen und den Sozialämtern die Kontenabfrage erlaubt. 2008 wurde der technische Zugang erleichtert, und seit 2013 dürfen auch Gerichtsvollzieher heimlich Einblick nehmen – seit 2016 sogar bei Fällen unterhalb der 500-Euro-Grenze. Daß der „gläserne Bürger“ längst Wirklichkeit ist, zeigen nun Daten, die das Finanzministerium auf eine Anfrage des AfD-Bundestagsabgeordneten René Springer zur Verfügung gestellt hat: 2005 hat es nur 10.201 Kontenabrufe durch die Finanzbehörden gegeben – 2023 waren es hingegen 1,4 Millionen. Und in den wenigsten Fällen geht es um den Verdacht der Steuerhinterziehung, der Geldwäsche oder um Terrorfinanzierung. Unter der Ampel soll künftig sogar „ins Blaue hinein“ ermittelt werden – Rasterfahndung inklusive: „Niemand, der an eine rechtsextreme Organisation spendet, darf unerkannt bleiben“, drohte SPD-Innenministerin Nancy Faeser im Februar.

Welche Sonderrechte das Bundesamt für Verfassungsschutz unter Chef Thomas Haldenwang (CDU) sonst noch zusätzlich bekommt, ist bislang nicht bekannt. Nicht nur die AfD, auch die Werteunion, das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) oder die Linken und ihre Vorfeldorganisationen sollten sich nicht beruhigt zurücklehnen: Die Frage der Wahlkampffinanzierung mit verschlungenen Geldflüssen aus dem Ausland könnte in Wahlkampfzeiten ein willkommener Anlaß zur Kontenabfrage sein. Selbst das Schweizer Bankgeheimnis gilt allenfalls noch für Eidgenossen, die keinen zweiten Paß haben: Schweizer Banken können Informationen zu Konten und Depots deutscher Bürger an deutsche Finanzämter übermitteln. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit seinem Urteil vom 23. Januar entschieden.