© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 15/24 / 05. April 2024

Ländersache: Brandenburg
Noch nicht befriedet
Christian Vollradt

Bei wohl keinem anderen kirchlichen Bauprojekt fällt so häufig das (Un-)Wort „umstritten“ wie beim wiederaufgebauten Turm der einstigen Garnisonkirche in Potsdam (JF 19/22). Schon vor der Grundsteinlegung 2005 hatten die nicht unbedingt zahlreichen, aber medial lautstarken Gegner einer Wiedererrichtung mobil gemacht. Dabei wurden die Schlagworte konservativ, rechts, rechtsextrem polemisch in einen Topf geworfen – und das 1735 im Auftrag des preußischen „Soldatenkönigs“ Friedrich Wilhelm I. fertiggestellte, im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigte und vom SED-Regime später gesprengte Gotteshaus zum „toxischen“ Symbol Preußens diskreditiert. 

„Militarismus“ verkörpere die Garnisonkirche, so ein häufig ins Feld geführter Vorwurf; gewagt, angesichts des Erbauers, der – für die damalige Zeit bemerkenswert – während seiner gesamten Regentschaft nur einen einzigen Krieg geführt (und gewonnen) hatte. Doch der Trumpf in der Hand der Anti-Wiederaufbau-Bewegung ist der „Tag von Potsdam“, als am 21. März 1933 der neugewählte Reichstag mit einem Staatsakt in der Garnisonkirche eröffnet wurde und der Händedruck von Kanzler Adolf Hitler und Reichspräsident Paul von Hindenburg propagandistisch ausgeschlachtet wurde. 

Da nimmt es nicht wunder, daß sich am Ostermontag mehr als 200 Demonstranten vor dem im Rohbau fertiggestellten Turm postierten, als der Landesbischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Christian Stäblein, die darin befindliche Nagelkreuzkapelle weihte. „Richte unsere Füße auf den Weg des Friedens“, steht dort in Stein gemeißelt, ein Vers aus dem Lobegesang des Zacharias am Beginn des Lukas-Evangeliums. Denn im Bewußsein des „umstrittenen“ Projekts ist der wiederaufgebaute Teil der Garnisonkirche als „Friedens- und Versöhnungszentrum“ gedacht.

Vorbei die Zeiten, als man in Brandenburgs Hauptstadt gern die Spendengelder einer vom früheren Bundeswehroffizier Max Klaar geführten Traditionsgemeinschaft annahm, der Ende der achtziger Jahre einen Nachbau des Glockenspiels „Üb immer Treu und Redlichkeit“ in seiner Fallschirmjägerkaserne in Iserlohn errichtet hatte, um es nach der Wiedervereinigung an den alten Standort zu verbringen, bevor es aus politischen Gründen vor einigen Jahren wieder abgebaut wurde.  

Nun mahnte Brandenburgs evangelischer Oberhirte, die Kapelle im Turm sei „nichts für Ewiggestrige“. Stäblein wandte sich ausdrücklich „gegen alles Völkische. Gegen alles Menschenfeindliche. Gegen alles Rechtsextreme“. Die neue Orgel bringe „die Lebensmelodien zum Klingen, auch gegen alle falschen Haß- und Triumphmarschphantasien“. Dabei hatte der verqueren Ansicht, aus der Garnisonkirche wegen des „Tags von Potsdam“ rückwirkend ein nationalsozialistisch kontamimiertes Bauwerk zu machen, schon vor zehn Jahren Brandenburgs mittlerweile verstorbener Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) mit guten historischen Argumenten widersprochen: „Adolf Hitler war zwei Stunden in der Garnisonkirche. Aus der gleichen Kirchengemeinde sind aber über zwanzig Männer und Frauen hingerichtet worden, weil sie gegen Hitler waren. Die Garnisonkirche war keine Nazi-Kirche.“