Am Ende war es einfache Mathematik. „Die Addition der inhaltlichen negativen Entwicklungen über die letzten 15 Jahre meiner Mitgliedschaft haben mir eine negative Bilanz aufgezeigt, die mich zu dem Entschluß gebracht hat, meinen Austritt aus der CDU zu erklären“, heißt es im Austrittsschreiben von Sylvia Pantel an CDU-Chef Friedrich Merz. 28 Jahre war Pantel Mitglied der Partei, saß zwischen 2013 und 2021 als Exponentin des konservativen Flügels im Bundestag.
Das Faß zum Überlaufen bringt schließlich das Parteiausschlußverfahren gegen den früheren Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen. „Die Entscheidung des Bundesvorstandes, die unter seiner Führung getroffen wurde, trotz der verlorenen gerichtlichen Auseinandersetzung gegen Hans-Georg Maaßen in die Revision zu gehen, und ihn währenddessen seiner Parteirechte zu berauben, haben mir den Glauben an eine gerecht handelnde CDU genommen“, sagt Pantel der JUNGEN FREIHEIT. Zurückblicken kann die Politikerin auf eine durchaus aufreibende Zeit in der Union. 1996 eingetreten, erarbeitet sie sich schnell den Ruf als konservatives Ausrufezeichen ihrer Partei. Mit Angela Merkel und ihrer Politik fremdelt die Düsseldorferin schnell.
Nach ihrem Einzug in den Bundestag läßt sie sich von Wolfgang Bosbach zu einer Mitarbeit im konservativen „Berliner Kreis“ überreden, wird 2018 sogar Sprecherin der Vereinigung. Doch spätestens nach der Bundestagswahl 2021, bei der Pantel und viele Anhänger des Kreises ihre Bundestagsmandate verlieren, schwindet rapide der Einfluß dieser von der Parteispitze nie anerkannten Gruppe.
„Noch kein wirkliches Umdenken“
Die Internetseite existiert mittlerweile nicht mehr, auch eine Facebook-Gruppe zur Vernetzung ist längst gelöscht. „An die Werte der alten CDU habe ich sehr lange geglaubt. Zuletzt hatte ich meine ganze Hoffnung auf Friedrich Merz gesetzt“, sagt sie im Gespräch mit der JF. Doch eine wirkliche Abkehr von den Merkel-Jahren sieht sie nicht. „Eine reine Ankündigungspolitik ist zu wenig, um das Land wieder zu stabilisieren, den Wohlstand der Menschen zu sichern und uns wieder zu einem Motor auch für die Prosperität in Europa werden zu lassen“, schreibt sie Merz.
Beispiel Asylpolitik: „Es gibt kein wirkliches Umdenken und auch keine Konsequenz bei den Abschiebungen von Zuwanderern, die kein Bleiberecht und auch keine Aussicht darauf haben – auch nicht in den Bundesländern, bei denen die CDU in der Verantwortung steht“, schreibt Pantel an das Konrad-Adenauer-Haus. Die Liste ihrer Vorwürfe ist lang. Familienpolitik? Ist ihres Namens eigentlich nicht mehr wert. Innere und äußere Sicherheit? „In einem kaum verantwortbaren Maße vernachlässigt.“ Integration? „Kein Einwanderungsland der Welt verzichtet auf Grenzkontrollen und gibt Neuankömmlingen mit ungeklärtem Lebenslauf ein Bürgergeld und ähnliche Leistungen.“ Pantel spricht von „gravierenden inhaltlichen Verschiebungen im Profil der Union“, für die insbesondere der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst und sein Vorgänger Armin Laschet stünden. „Hendrik Wüst versteht sich sehr gut mit den Grünen und legt sich oft nicht fest. Jetzt haben wir hier in NRW die erste Meldestelle für Denunziation unterhalb der Strafbarkeit“, kritisiert die Politikerin. Dafür sei sie vor beinahe 30 Jahren allerdings nicht in die CDU eingetreten.
Und nun? Mit Maaßen, der die CDU mittlerweile verlassen und seine eigene Werte-Union-Partei gegründet hat, will sich die 63jährige nun auch zügig treffen. „Wir werden uns zusammensetzen und viel zu besprechen haben. Und dann wird man weitersehen“, betont Pantel. Der sucht für seine Partei noch dringend Verstärkung und vor allem bekannte Gesichter – gerade in Nordrhein-Westfalen. Daß sie der neuen Partei auch wirklich beitreten wird, bestätigt Pantel allerdings nicht. „Noch“ sei ihr Beitritt zur Werte-Union keine Tatsache, wie bereits ein Lokaljournalist behauptet hatte. Doch was nicht ist, kann in der Politik ja bekanntlich sehr schnell werden.