© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 15/24 / 05. April 2024

Paul Schreyer. Wer ist der Mann, der hinter dem „Multipolar-Magazin“ steht, dem der RKI-Akten-Clou gelungen ist?
Der Kläger
Christian Schreiber

Die Tugend des Widersprechens wurde Paul Schreyer wohl schon in die Wiege gelegt. Sein Vater Wolfgang (1927 bis 2017) trat noch im Frühjahr 1944 mit 17 Jahren der NSDAP bei und wurde trotzdem später in der DDR ein erfolgreicher Autor, geriet aber ins Visier der Staatssicherheit. Vier Kinder setzte der Autor, dessen Bücher die Defa mehrfach verfilmte, in die Welt – Sohn Paul trat in seine Fußstapfen. 

Geboren 1977 in Rostock, ist er seit 2006 als Sachbuchautor, Journalist und Publizist tätig und scheint einen guten Riecher für spannende Geschichten zu haben. Anfang 2020 gründete Schreyer junior mit zwei Kollegen, Stefan Korinth und dem inzwischen wieder ausgestiegenen Ulrich Teusch, das „Multipolar-Magazin“. Es war die Zeit der aufziehenden Corona-Krise: Das Online-Portal ging am 20. Januar ans Netz – exakt eine Woche später wurde der erste deutsche Covid-19-Fall aktenkundig. Während der Pandemie mauserte sich „Multipolar“ zu einem immer größeren Kritiker und Gegenspieler der Bundesregierung und ihre Maßnahmen.

Paul Schreyer wird nicht lockerlassen, er will in den nächsten Monaten abermals vor Gericht ziehen. 

„Chronik einer angekündigten Krise. Wie ein Virus die Welt verändern konnte“, heißt das Buch, das Schreyer noch im gleichen Jahr verfaßte. Es stelle die Corona-Pandemie als Inszenierung dar, um weltweit Angst und so Akzeptanz für das Impfen und digitale Kontrolle zu erzeugen und so der Pharmaindustrie enorme Gewinne zu sichern und die Massen für die „Elite“ besser beherrschbar zu machen. Doch selbst kritische Kommentatoren kamen nicht umhin, Schreyer einen geschickten Stil zuzugestehen, zudem könne man ihm allzu offensichtliche Verschwörungstheorien nicht unterstellen. 

Ähnliche Kommentare gab es schon für Schreyers Erstling „Die Legende. Was am 11. September geschah“ von 2006, dem später „Inside 9/11“ und „Faktenchek 9/11“ folgten. Demnach könnten die vielen Sicherheitslücken und Pannen, die die Anschläge möglich machten, kein Zufall gewesen sein. Vielmehr hätten die USA sie billigend in Kauf genommen, um außenpolitische Ziele zu legitimieren. Seitdem gilt er als US-Kritiker und längst auch als „Putin-Versteher“: 2014 veröffentlichte er zusammen mit dem Journalisten Mathias Bröckers den Spiegel-Besteller „Wir sind die Guten. Ansichten eines Putinverstehers oder wie uns die Medien manipulieren“.

Nun gelang Schreyer und „Multipolar“ ein echter Clou: nach langem Rechtsstreit die Herausgabe der Protokolle des RKI-Krisenstabs während der Corona-Pandemie zu erzwingen. Besonderen Wirbel verursachte eine Schwärzung gerade an der Textstelle, wo es um die Hochstufung der Risikobewertung geht, die die Grundlage des ersten Lockdowns war. Durch die Unkenntlichmachung sieht er sich in der Auffassung bestätigt, externe Einflußnehmer hätten diese Entscheidung gefällt. Das RKI hat mitgeteilt, es handele sich um einen Instituts-Angehörigen. Schreyer setzt unterdessen nach, erhöhte erfolgreich den Druck auf Gesundheitsminister Lauterbach, die Schwärzungen herauszunehmen. Im kommenden Monat will er abermals vor Gericht ziehen, um die Protokolle in ihrer ursprünglichen Fassung einsehen zu können. Man muß kein Prophet sein, um vorhersagen zu können, daß Schreyer nicht lockerlassen wird.