Journalisten haben sich ihr Urteil über die Objekte ihrer Berichterstattungen oft schon gebildet, noch bevor sie auch nur ein Wort mit diesen gewechselt haben. Mit einigen reden sie grundsätzlich nicht – weil man gewissen Leuten eben „keine Plattform“ bieten sollte, selbst wenn die Person, der man diese Plattform verwehren will, eine größere Reichweite und einen höheren Bekanntheitsgrad hat als das eigene Medium.
Der Youtuber Ben Berndt pfeift auf die Dogmen dieses Haltungsjournalismus und nutzt seinen fast 78.000 abonnentenstarken Podcast-Kanal „ungeskriptet“ dazu, „ehrliche Gespräche mit außergewöhnlichen Menschen“ zu führen, wie es in der Beschreibung seines Channels heißt. Dieser Ansatz unterscheidet seine zwei bis drei Stunden langen Interviews auf erfrischende Weise von den unzähligen ideologisch inzestuösen Schulterklopf-Formaten, in denen sich die immer gleichen Gleichgesinnten gegenseitig einladen, um sich gegenseitig in ihren gemeinsamen Narrativen zu bestätigen.
In dem tatsächlich offenen Podcast kommen die unterschiedlichsten Personen zu Wort.
Bei Ben kommt jeder zu Wort. Vom deutschen Islamkonvertiten bis zum AfDler, von der Impfgeschädigten bis zur bekennenden Sadomaso-Party-Teilnehmerin, von der „Militanten Veganerin“ bis zum Männlichkeitscoach. In den Gesprächen bleibt der Moderator stets interessiert, unaufgeregt und wirklich offen für das, was ihm seine Gesprächspartner zu sagen haben.
Die offene Herangehensweise des zweifachen Vaters und Unternehmers dürfte viel mit seiner eigenen Vergangenheit zu tun haben. Als Schüler war er „ein fauler, dicker, arroganter Klugscheißer“. Das schreibt der Mann, der später den Innovationspreis der Deutschen Wirtschaft erhalten sollte und in der illegalen Underground-Fight-Club-Szene unterwegs war, auf seiner Homepage über sich selbst.
Der Interviewer beschreibt dort auch die Fragen, die er sich als von inneren Zweifeln geplagter junger Mann einst selbst gestellt hat: „Wer bin ich? Und wer bin ich wirklich? Wer möchte ich gern sein? Und welche dummen Fehler mache ich jeden Tag aufs neue?“ Vielleicht ist es genau dieses sich Hinterfragen, das vielen „klassischen Journalisten“ heute fehlt.