Für romantische Bruckner-Dirigenten fing und fängt ihr Meister so richtig erst mit seiner dritten Symphonie an. In den – eigentlich vier – Symphonien, die noch nicht so richtig nach Anton Bruckner zu klingen scheinen, habe er sich der kompositorischen Mittel für den brucknerschen Bruckner ja erst noch versichern müssen.
Sein 200. Geburtstag rückt näher. Innerhalb ihres Projekts der Gesamteinspielung des symphonischen Werks hat die Philharmonie Festiva unter ihrem Gründer und Dirigenten Gerd Schaller der 2. Symphonie in der Erstfassung von 1872 (2011) nun dieselbe in der Fassung von 1877 folgen lassen. Erst für unspielbar erklärt, dann unter dem Dirigat und auf Rechnung des Komponisten doch aufgeführt, mit Erfolg übrigens, hatten die Wiener Philharmoniker ihr der zahlreichen Großen Pausen wegen den Namen „Pausensymphonie“ verpaßt. „Wenn ich etwas Wichtiges zu sagen habe“, so Bruckner, „muß ich vorher Atem holen.“
Bruckner entwickelt thematisches Material, ohne es noch ausentwickeln zu wollen, und er variiert schon, ohne seine Variantentechnik bereits konsequent ausentfalten zu können. Schaller macht den Hörer stellenweise glauben, eine Beethoven- oder Schubert-Sinfonie zu hören. Doch könnte die Symphonie, in trocknerer Akustik aufgeführt, Ausdrucksschärfe gewinnen, die Pausen nicht nur dem Nachspüren von Klängen reserviert, sondern als Verwerfungslinien zwischen die Module gezogen. Gehört sie echt nur in die Abteikirche des ehemaligen Zisterzienserklosters von Ebrach in Franken?
Anton Bruckner: 2. Sinfonie. Fassung 1877.Profil Edition Günter Hänssler 2023, https://haensslerprofil.de, www. gerd-schaller.de, www.bruckner 2024.com