Der „Terror ist zurück in Rußland“, so beschreibt eine russische Tageszeitung den Angriff von vier bewaffneten Terroristen auf eine Konzerthalle in Moskau. Über 100 Menschen kamen ums Leben, fast 200 weitere Konzertbesucher sind teils schwer verletzt worden.
Es ist ein Angriff, der viele Russen brutal zwanzig Jahre zurückwirft. Damals, in den frühen Zweitausendern, kam es regelmäßig zu Angriffen zentralasiatischer Terroristen auf russische Großstädte. Schulen, Opern- und Wohnhäuser fielen den Angriffen radikalislamischer Täter zum Opfer, bis schließlich mit dem Machtverlust des IS in Syrien ein vorläufiges Ende der Terrorangriffe erreicht schien. Fast zehn Jahre nach der Flugzeugentführung eines russischen Passagierjets über Ägypten 2015 scheint Moskau wieder im Fadenkreuz einer Organisation namens Islamischer Staat zu stehen. Die agiert jedoch nicht mehr aus Syrien und dem Irak, sondern aus Afghanistan, „Islamischer Staat-Provinz Khorasan“ (IS-PK) nennt sich die Gruppe. Der IS-PK konnte sich dort in den vergangenen Jahren der US-geführten Koalition in Afghanistan ausbreiten und steht in starker Opposition zum Islamischen Emirat Afghanistan – den Taliban.
Während sich diese zumindest teilweise um den Aufbau eines funktionierenden Staates bemühen und dabei auch auf Kooperation mit Rußland und China aus sind, setzt der IS-PK auf Gewalt und Terror. Bei Anschlägen in den vergangenen Jahren fielen allein in Afghanistan Hunderte Menschen der Organisation zum Opfer. Besonders im Fadenkreuz der selbsternannten Gotteskrieger: russische und chinesische Diplomaten sowie Geschäftsleute aus beiden Ländern. Verstärkt wurde die Gruppe nach dem Abzug der US-Streitkräfte ironischerweise auch durch Spezialisten der ehemaligen afghanischen Regierung, eine Entwicklung. Immer wieder vermuten daher russische und chinesische Sicherheitskräfte eine zumindest stillschweigende Duldung der Gruppe durch die USA, auch wenn in der Vergangenheit US Truppen Bombenangriffe auf Stützpunkte des IS-PK flogen.
Die US Botschaft in Moskau hatte eigenen Angaben zufolge zumindest Kenntnis von einem „bevorstehenden Angriff“ in der Metropolregion Moskau und sowohl russische Behörden als auch eigene Staatsbürger gewarnt. Eine Warnung, die zumindest von offizieller russischer Seite nicht beherzigt wurde. Doch was die russischen Behörden nicht präventiv leisten konnten, erfolgte dafür an Ermittlungsarbeit nach dem Angriff. Alle vier Täter wurden binnen Stunden verhaftet und offenbar auch gefoltert. Dem Haftrichter vorgeführt wurden vier Tadschiken zwischen 19 und 30 Jahren, teils mit schwer lädierten Gesichtern, einem der Täter wurde offenbar ein Ohr abgeschnitten. Der IS-PK hatte zuvor in einem Videostatement der Täter die Verantwortung für die Tat übernommen und dabei unter anderem auch eine Exekution eines Konzertbesuchers gezeigt.
Die tiefe Spaltung zwischen Rußland und seinen Verbündeten einerseits und dem Westen andererseits konnte auch der Angriff in Moskau nicht überbrücken. Obwohl einige westliche Staatschefs dem offiziellen Rußland ihr Beileid aussprachen, blieben Schritte zur Entspannung der Lage aus. Moskau wirft dagegen dem „Kiewer Regime“ eine „aktive und systematische Terrortätigkeit“ vor. In Peking, Zentralasien und sogar in Afghanistan bezeichneten Offizielle die Angriffe hingegen als „Verbrechen“. Ein Sprecher der Taliban bezeichnete den Angriff als „schwere Verletzung aller menschenrechtlichen Standards“ und rief die Nachbarstaaten Afghanistans dazu auf, gemeinsam gegen den IS-PK vorzugehen.