© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 14/24 / 29. März 2024

Nicht alle Freunde sind amüsiert
EU-Rechte: Lega-Chef Matteo Salvini kämpft ums politische Überleben
Fabio Collovati

Matteo Salvini war im Studio 7 der Roma Studios in der Via Tiburtina 521 wieder in seinem Element. Er bezeichnete Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron als „Kriegstreiber“, den Koran als „unvereinbar mit Freiheit und Bürgerrechten“, kritisierte illegale Migranten, Ursula von der Leyens EU und „Gender-Ideologie“. Unter dem Motto „Wind of Change“ (Wind des Wandels lud er seine Kollegen der ID-Fraktion nach Rom und – nicht alle kamen. Das ließ er sich nicht anmerken, denn André Ventura, Chef der portugiesischen Chega, die bei den vorgezogenen Wahlen am 10. März 18 Prozent der Stimmen erhalten hatte, war da. „In Rom mit unserer politischen Familie Identität und Demokratie, um über die großen Herausforderungen zu sprechen, denen Europa im Kampf gegen illegale Einwanderung, Korruption und Gender-Ideologie in Schulen gegenübersteht“, schrieb Ventura hernach auf X. 

Parallel dazu hatte die FPÖ immerhin ihren Spitzenkandidaten zur Europawahl Harald Vilimsky sowie der Vlaams Belang Gerolf Annemans entsandt. Die Französin Marine Le Pen (Rassemblement National) schickte lediglich eine Videobotschaft, und Rassemblement-National-Chef Jordan Bardella konnte sich in den Tagen zuvor bissige Kommentare über die Art und Weise, wie Salvini die Wiederwahl von Wladimir Putin kommentiert hatte, nicht verkneifen.

„Matteo ist ein Freund und ein guter Kerl“, erklärte Ventura später gegenüber der Presse. Auf die Frage nach der Haltung des Lega-Chefs zum Krieg zwischen Rußland und der Ukraine ging er jedoch auf Distanz: „In diesem Punkt sind wir weit auseinander“, betonte er, „denn wir unterstützen die Ukraine zu 100 Prozent. Ich verstehe seine Position, aber sie ist nicht meine“.

Salvini hat schon bessere Zeiten erlebt. 2019 gewann die Lega die EU-Wahl in Italien mit satten 34 Prozent. Mickerige sechs Prozent fuhr sie 2014 ein, und Salvini verweist in diesen Tagen wiederholt auf diese Tatsache: „Wenn wir zweistellig werden, waren wir erfolgreich“, sagte er mit Blick auf die Abstimmung zur EU-Wahl in zweieinhalb Monaten. 

Doch das sehen in seiner Partei nicht alle so. 29 Mandatsträger der Lega sitzen derzeit im Straßburger Parlament, eine Handvoll könnte davon übrigbleiben. Der Unmut ist spürbar, auch wenn offene Revolten in der aus dem reichen Norden stammenden Partei nicht zur Tagesordnung gehören. 

Die Lega stellt seit Jahrzehnten Regionalpräsidenten im Norden, im Süden erfolgreich wurde sie erst, als Salvini eine Nische im rechten Lager nutzte und die europäische Migrationspolitik zum Thema machte. 

Venetiens Präsident Luca Zaia geht auf Distanz zu Matteo Salvini

Vor fünf Jahren trat seine Truppe zur EU-Wahl noch unter dem Kürzel LSP (Lega Salvini Premier) an. Deutlicher konnte er seinen Machtanspruch kaum formulieren. Doch dann kam Giorgia Meloni, übernahm die Reste von Finis zerfallener Alleanza Nationale, formierte die Rechte neu und eilte von Sieg zu Sieg. Seit eineinhalb Jahren ist sie Premierministerin, sie reüssiert auf europäischem Parkett und ihre Umfragewerte sind erstaunlich stabil. Bei den Regionalwahlen in den Abruzzen Anfang Mai legten Melonis Brüder Italiens um 17 Prozentpunkte zu und sorgten für einen klaren Sieg des Mitte-Rechts-Lagers. Salvinis Lega landete sogar noch hinter der totgesagten Partei Forza Italia des verstorbenen Ex-Premiers Silvio Berlusconi, dessen Nachfolger Antonio Tajani als Außenminister besonnen und souverän agiert und die Partei auf erstaunlichem Niveau stabilisiert hat.  

Es gab nicht wenige in Italien, die Salvini unterstellten, er habe insgeheim auf eine Pleite in den Abruzzen spekuliert. Denn was sich zuvor auf Sardinien abspielte, werteten Beobachter als Vorbote einer landesweiten Regierungskrise. Dort leistete sich die Rechtsallianz im Vorfeld der Regionalwahl einen veritablen Bruderkrieg. Ministerpräsidentin Meloni nämlich wollte nichts davon wissen, den bisherigen Regionalpräsidenten, einen Lega-Mann, wieder antreten zu lassen. Sie setzte einen ziemlich unbeliebten Regionalpolitiker aus ihren Reihen durch, der die rechte Hochburg dann auch prompt in den Sand setzte. Salvinis Lega landete bei gerade einmal vier Prozent. 

Daß der Infrastrukturminister am Wahlabend grinsend auftrat, wurde als Beleg dafür gewertet, daß er seine Anhänger insgeheim zum Wahlboykott angestachelt habe. 

Doch die Stimmung rund um Salvini bleibt bescheiden. In Rom spielt er im Schatten von Meloni und Tajani nur das fünfte Rad am Wagen. In den Hochburgen Norditaliens stören sich die bürgerlichen Repräsentanten an seinem Rechtskurs sowie seiner unverhohlen geäußerten Sympathie für Wladimir Putin. „Das Volk hat immer recht“, sagte Salvini mit Blick auf die Wahlen in Rußland. In Italien hat das für beträchtlichen Ärger gesorgt. 

Nicht gerade zur Stimmungsaufhellung beigetragen hat die Tatsache, daß der Parteichef Ex-General Roberto Vannacci, einen konservativen Hardliner, auf die EU-Wahlliste setzte. „Viele der von Vannacci vertretenen Thesen werden von einem Teil unserer Basis nicht geteilt, und ich selber teile sie auch nicht“, kommentierte der Lega-Fraktionschef im Senat, Massimiliano Romeo. 

Noch deutlicher wurde der über alle Parteigrenzen hinweg geachtete Regionalpräsident von Venetien, Luca Zaia. „Die alte Lega gefiel mir besser“, sagte er kürzlich. Im Herbst wird die Parteispitze neu gewählt. Zaia präsentiert sich gern als moderater Gegenpol zu Salvini, dem eine erfolgreiche Verwaltung wichtiger ist als markige Sprüche.