Die geschichtsträchtige Hansestadt wurde mit viel Großzügigkeit und Liebe restauriert. Seit 1997 gehört sie zum Unesco-Weltkulturerbe. Der Weg in die Altstadt führt an der Freiheitsstatue und einer russisch-orthodoxen Kathedrale vorbei. Trotz nerviger, unübersichtlicher Baustellen erfreuen wir uns an Museen, Gildehäusern, Stuckfassaden von Eisenstein, laufen durch verwinkelte, kopfsteingepflasterte Gassen, bewundern reich verzierte Jugendstilgebäude – 800 sollen es sein – sowie Nationaltheater und Kirchen.
Große Tafeln zeigen, daß diese Kulturgüter überwiegend auf EU-Kosten instandgesetzt wurden. Die baltischen Staaten betreiben eine auf Nationalstolz basierende Politik: Sie verwenden die EU-Gelder nicht zur Renovierung verfallener Häuser und Ruinen, sondern für Prestigeobjekte.
Besondere Anziehungspunkte sind der Turm der Petrikirche, von dessen Plattform der Besucher einen phantastischen Blick auf die pittoreske Stadt und den Lauf der Düna genießt. Ebenso der Rathausplatz mit akribisch restauriertem Schwarzhäupterhaus – Heimstätte der Bruderschaft unverheirateter Kaufleute. Hier heißt sie „Blackhead House“, nur zwei Inschriften zeugen von der deutschen Vergangenheit des Gebäudes.Rechts „Wider Gesetz und Gewissen handeln, thut Gottes Segen in Fluch verwandeln“, links „Den Gerechten Gott liebt und ehrt, sein Geschlecht er segnet und vermehrt (1334)“. Daneben wurde in hübscher Häßlichkeit das Okkupationsmuseum errichtet, das an die Greueltaten des NS-Regimes erinnern soll. Alle anderen deutschen Begriffe wurden getilgt und ins Englische übersetzt.
In den berühmten Zeppelinhallen am Bahnhof verkaufen die Händler einheimische Produkte.
Im Zentrum tummeln sich Massen tätowierter Jugendlicher, aufgebröselt wie Zirkusgäule, wobei nur zerrissene Jeans irritieren. Ferngesteuerten Robotern ähnelnd, den Blick starr auf das Handy gerichtet, in der anderen Hand einen Kaffeebecher, gehen sie keinem hinkenden Frosch aus dem Weg. Wie in Deutschland.
Wir besuchen die fünf berühmten Zeppelinhallen am Bahnhof. Hier verkaufen die Händler einheimische Produkte. Es duftet betörend nach Walderdbeeren, Dill, eingelegten Gurken und Gewürzen, ein Geruch, der süchtig machen könnte. Jede Halle hat ihr Thema: Geräucherter Fisch, Frischfleisch, Backwaren et cetera.
Den Abend verbringen wir in einem gemütlichen Restaurant mit lettischer Küche, bestellen Sauerkrautsuppe im Brotlaib, Maultaschen und Fischhäppchen, dazu Bier und Wein. Beim Servieren der Getränke stolpert die junge Kellnerin, aber Begleiter Uli schafft es in letzter Sekunde, das abstürzende Bierglas aufzufangen. Die russische Reiseleiterin vom Nebentisch klatscht Beifall und ruft fröhlich „Nastrowje“, als er auf den Schreck erst mal einen Schluck nimmt. Das Essen ist übrigens phantastisch.