Jochen Wermuth hat ein großes Herz für die Grünen – und vor allem eine offene Geldbörse: Der 54jährige Finanzinvestor ist der größte Einzelspender der Partei. Nach Berechnungen der Zeitschrift Capital Anfang 2023 hat er ihnen seit 2016 fast eine Million Euro überwiesen – damals gab er 300.000 Euro, um den Wahlkampf von Ministerpräsident Winfried Kretschmann zu unterstützen. Zuletzt verzeichnete der Bundestag zum Jahreswechsel 2022/23 eine Spende über rund 100.000 Euro.
Wermuth wurde 1969 zwar in Boston geboren, wuchs aber in Mainz auf: der Vater Ökonom, die Mutter Statistik-Professorin, eine sozialdemokratische Familie mit vier Kindern. Auch um dem Wehrdienst zu entkommen, ging er 1988 in die USA zurück, wo er an der Elite-Universität Brown in Rhode Island Mathematik und Ökonomie studierte, bevor er nach Oxford wechselte.
Als Grund für seinen Weg nennt Wermuth zwei Erlebnisse: daß das Vermögen seiner Großmutter von Beratern schlecht angelegt und viel Geld verloren worden sei und die Katastrophe in Tschernobyl 1986, die ihn auf den Gedanken brachte: „Ich lerne Mathe und Volkswirtschaft und versuche, mit den Mitteln des Marktes etwas zu verändern.“ Und Wermuth gelang eine steile Karriere: Mit 23 Jahren wurde er Berater der russischen Regierung für den Wirtschaftsumbruch nach dem Ende der UdSSR. Dann baute er die Deutsche Bank in Moskau mit auf. Ein Angebot des Kreml, Vizefinanzminister zu werden, lehnte er 1997 nach eigenen Worten ab. 1999 gründete er eine eigene Vermögensverwaltung.
„Eigentlich kann es nicht sein, daß ein Privatmann eine Partei im Wahlkampf so extrem unterstützt wie ich“.
Sich selbst bezeichnet Wermuth als „Klima Impact Investor“: er tätigt nur „grüne“ Investitionen. „Meine Frau“, eine russische Ökologin, „und mich treibt an, zur Eindämmung des Klimawandels möglichst viel Kapital zu bewegen“, verriet er in einem Interview und warnte, es blieben noch „zwei, drei Jahre, die Menschen vor der Ausrottung zu retten“.
Vor der Bundestagswahl 2021 empfahl er den Grünen: „Je radikaler die Partei ist, desto sicherer heißt der nächste Kanzler oder Kanzlerin Annalena oder Robert.“ Zuletzt lobte Wermuth die Demos gegen die AfD und forderte, „den Nexus zwischen Faschismus und fossilen Brennstoffen zu beenden“.
Für jene, die mit dieser Moral wenig anfangen können, führt er neben geopolitischen auch finanzielle Gründe ins Feld: Er glaubt an eine „grüne industrielle Revolution“ und sei überzeugt, daß man schon heute mit nachhaltigen Investitionen „viel mehr Geld verdienen“ kann als mit herkömmlichen.
Mit den Jahren und dank der Spenden konnte Wermuth auch seine Kontakte in die grüne Partei ausbauen. Bisweilen ließ er eigene politische Ambitionen erkennen: 2023 kandidierte er für ein Amt im Landesparteirat der Berliner Grünen. Zuletzt investierte er zudem circa 500.000 Euro in den Volksentscheid „Berlin 2030 klimaneutral“. Bis vor kurzem war der rührige Finanzier zudem Berater des Kuratoriums des Atommüllentsorgungsfonds des Bundes. Pikant: Diesem sitzt Udo Philipp vor, Staatssekretär Habecks, der in der Vergangenheit wiederum in einen Fonds Wermuths investierte.
Bestehen also Interessenkonflikte? Über seine Spenden sagte Jochen Wermuth: „Ich mache das aus reinem Patriotismus.“ Doch gab er zu: „Eigentlich kann es nicht sein, daß ein Privater im Wahlkampf eine Partei so extrem unterstützt, wie es mir gelungen ist.“