© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 14/24 / 29. März 2024

Einreiseverbot für Martin Sellner
Repressive Toleranz
Björn Schumacher

Die Einschläge im Kampf „gegen rechts“ kommen näher. Getroffen hat es jetzt Martin Sellner, Obmann der Identitären Bewegung Österreich, gegen den die Landeshauptstadt Potsdam ein Einreiseverbot nach Deutschland verhängt hat. Mit hyper-moralischem Abscheu attackiert die Ausländerbehörde den vermeintlichen Feind von Demokratie und Menschenwürde. Zugleich ist ihr ungewöhnlich langer Bescheid mit 40 Seiten und 152 Fußnoten ein Indiz für juristische Unsicherheit.

Tatsächlich geht der Bescheid nicht nur, etwa in Gestalt widerlegter Behauptungen des Portals Correctiv, von falschen Tatsachen aus. Es fehlt ihm auch an begrifflicher Schärfe. Der Vorwurf, Sellner folge „undemokratischen und damit rechtsstaatswidrigen“ Grundsätzen, belegt höchstens, daß die Stadt Potsdam Inhalte und Unterschiede dieser elementaren Verfassungsprinzipien nicht kennt. Weitere fragwürdige Gesetzesauslegungen sind rasch gefunden. Bei aller Kritik an der Identitären Bewegung ist das Einreiseverbot für ihre Leitfigur völlig unverhältnismäßig, nicht zuletzt mit Blick auf die ungebremste, Freiheit, Wohlstand und Sicherheit gefährdende Massenmigration. Sellner könnte gestärkt aus dem juristischen Scharmützel hervorgehen.

Aufsehen erregte 1917 eine Schrift des Göttinger Philosophen Leonard Nelson mit dem Titel „Die Rechtswissenschaft ohne Recht“. Macht der entfesselte Kampf „gegen Rechts“ die Bundesrepublik zu einer Volksherrschaft ohne Volk?