© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 13/24 / 22. März 2024

Frisch gepreßt

Weiblichkeit. Toxisch wird man nicht geboren, toxisch wird man – insbesondere als Frau. Diese These stellt die 27jährige Zeit-Autorin und Schriftstellerin Sophia Fritz in ihrem jüngsten Buch auf. Der Titel „Toxische Weiblichkeit“ soll dabei den Gegenbegriff zu der sogenannten toxischen Männlichkeit darstellen, die Fritz als „dominanzgeprägtes Auftreten“ sowie „gewaltlegitimierende Weltanschauungen“ definiert. Bei dem weiblichen Pendant spricht sie von „emotional übergriffigen“ Verhaltensweisen, die infolge einer Anpassung an die männlich dominierte Gesellschaft erfolgen sollen. Sie prangert dabei zahlreiche Klischees an, die Frauen bedienen sollen. Sowohl das Bild einer rücksichtslosen „Powerfrau“ als auch jenes eines unterwürfigen „guten Mädchens“ lehnt die Autorin ab. Auch setzten sich viele für den Feminismus ein, vertrauten aber Mitstreiterinnen nicht oder „suchen instinktiv nach ihren Fehlern und Schwächen“. Zugleich betont sie, diese Verhaltensweisen seien ein Effekt der Sozialisierung durch traditionelle gesellschaftliche Strukturen, darunter Medien, das Bildungssystem und die Kirche. Dennoch dürfe man nicht in die Opferrolle fallen und den Männern zu viel Macht zuschreiben. Vielmehr müsse man offensiver als die Männer agieren und selbstsicher mit sich selbst umgehen, konstatiert Fritz am Ende. (kuk)

Sophia Fritz: Toxische Weiblichkeit. Carl Hanser Verlag, München 2024, gebunden, 192 Seiten, 22 Euro





Behinderte. Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein, sagt die Bibel. Der dahinterstehende Gedanke läuft der linken Praxis zuwider. Das erkennt, wer sich linke Begriffsbildungen der vergangenen Jahrzehnte anschaut. Nach Feminismus und Rassismus etc. pp. kommt nun mit den Ideen des „Ableismus“ eine weitere anklagende Kritik ins Spiel. Das Wort leitet sich ab vom englischen „be able“, das heißt fähig sein. Mit Rücksicht auf behinderte Menschen mahnen die selbst beeinträchtigten Autorinnen Anne Gersdorff, „Referentin für die Sozialheld*innen“, und die Journalistin Karina Sturm dazu, abzurücken von der Praxis, Behinderte für ihr schlimmes Schicksal zu bemitleiden oder aber sie für ihr Vermögen, den Widrigkeiten zu trotzen, zu feiern. Das ist nachvollziehbar und richtig in einer Gesellschaft der Freien und Gleichen, aber das Buch unterstellt, daß es eine strukturelle und gesellschaftliche Neigung dazu gebe. „Vermutlich hat jede*r von uns schon mal einen ableistischen Gedanken gehabt,“ heißt es im Erstlingswerk. Der Text ist leicht verständlich, bringt zu vielen Abschnitten anschauliche Beispiele und erklärt mit jedem Satz, daß „die Gesellschaft“ gemein ist. Jeder von uns solle mehr über sich selbst reflektieren. Ist das nötig? (mp)

Anne Gersdorff, Karina Sturm: Stoppt Ableismus! Diskriminierung erkennen und abbauen. Rowohlt Verlag, Hamburg 2024, broschiert, 288 Seiten, 15 Euro