© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 13/24 / 22. März 2024

Arbeit nicht als Lebensinhalt sehen
Für David Gutensohn ist Werktätigkeit allenfalls an vier Tagen statthaft
Lorenz Bien

In Deutschland wird wieder über Arbeit diskutiert. Darüber, wieviel unserer Zeit sie beanspruchen sollte, wie sehr sie den Menschen belasten darf und welcher gesellschaftliche Wert ihr beigemessen werden sollte. Der neueste Debattenbeitrag hört auf den Namen „Generation Anspruch. Arbeit ist nicht alles – und das ist auch gut so“ und wurde von einem jungen Journalisten verfaßt. David Gutensohn ist Teil der Millennial-Generation und Sohn einer Altenpflegerin. Letzteres sei deshalb erwähnt, weil Gutensohn diese Tatsache selbst häufig heranzieht. In der sich aufopfernden, unbezahlte Überstunden klaglos hinnehmenden Angehörigen der Baby-Boomer-Generation zeichnet der Autor das Gegenbild zu der Arbeitswelt, die er anstrebt. Für die jüngere Generation sei Arbeit kein Selbstzweck und auch nicht hauptsächlicher Lebensinhalt. Sie soll möglichst erfüllend sein und genug Raum lassen, um sich in der Freizeit auch als Person weiterzuentwickeln. 

Für die Einführung der Vier-Stunden-Woche führt er dabei mehrere Studien an. So soll eine verkürzte Arbeitswoche dafür sorgen, daß Menschen ihre Arbeitskraft nicht so schnell aufbrauchen und später in Rente gehen können. Firmen, in denen die Vier-Tage-Woche eingeführt wurde, sollen glücklichere und gesündere Mitarbeiter haben. Und auch die ungleiche Verteilung der Hausarbeit bei Mann und Frau soll so ausgeglichen werden können.

Neben diesen eher praktisch-marktwirtschaftlichen Gedanken findet sich auch Theoretisches. „Keiner sollte für den Kapitalismus arbeiten“ heißt das siebte Kapitel. Demnach lege die junge Generation besonderen Wert darauf, daß sie für Unternehmen arbeitet, die „klimagerecht“, „sexismusfrei“ und „divers“ sind – wobei Gutensohn zu entgehen scheint, daß sich diese Ausrichtung keineswegs mit einer kapitalistischen Wirtschaft beißt. Im Extremfall sollten westliche Gesellschaften zudem ihre Produktivität herunterfahren, um dem Klima nicht weiter zu schaden, führt der Autor aus, um sogleich hinzuzufügen, daß solche Schlußfolgerungen eigentlich utopisch seien. 

In anderen Bereichen setzt Gutensohn hingegen auf fortschreitende Technisierung. So sollen besonders monotone und unkreative Arbeiten zukünftig von Künstlicher Intelligenz (KI) übernommen werden. Denn auch wenn das Ausfüllen von Tabellen, das Hin- und Herkopieren von Texten oder das Löschen alter E-Mails den Arbeitsalltag gelegentlich auflockern sollen, gebe es Arbeitsbereiche, in denen derart anspruchslose Tätigkeiten überhand nähmen und den Arbeitnehmer in einer frustrierenden Unterforderung gefangen hielten. Dank KI könnten diese Menschen ihre Zeit mit erfüllenderen Tätigkeiten verbringen.

David Gutensohn: Generation Anspruch. Arbeit ist nicht alles – und das ist auch gut so. Oekom-Verlag, München 2024, broschiert, 188 Seiten, 22 Euro