Friedrich List. Als Parlamentarier kämpfte der Tübinger Nationalökonom Friedrich List (1789–1846) seit 1815 für eine moderate Demokratisierung des Königreichs Württemberg, forderte eine gerechte Steuer, eine Justizreform, den Ausbau der Selbstverwaltung. Das waren liberale Positionen, die, wie Theodor Heuss’ vom Zahn der Zeit nicht benagtes List-Porträt von 1936 betont, selbst in der anbrechenden Metternich-Ära „nichts Außerordentliches“ bedeuteten. Trotzdem trug ihm die Petition einen Strafantrag „wegen Aufreizung gegen Staatseinrichtungen“ und letztlich Festungshaft ein. Heute, im Zeitalter von Nancy Faeser & Thomas Haldenwang, hätte er wegen solcher unbequemen „Denkfiguren“ wohl auch eine Verfolgung wegen „Gefährdung des Staatswohls“ zu fürchten. List, der einige Monate seiner Strafe auf dem Hohenasperg absitzt, wandert 1822 in die USA aus, wo er zum prominenten publizistischen Verfechter der Schutzzollbewegung avanciert. 1832, nach seiner Rückkehr aus dem Exil, fließen diese Erfahrungen in seinen Kampf für ein von Zollschranken befreites, wirtschaftlich vereinigtes und industrialisiertes Deutschland ein. Über diesen im Selbstmord geendeten Patrioten, der die Nation ins Zentrum seiner Hauptwerke zur „Politischen Ökonomie“ stellt, fehlte bislang eine gut lesbare und doch wissenschaftlich solide Einführung in Leben und Werk. Der baden-württembergische Ministerialbeamte Roland Brecht hat sie nun geliefert. (wm)
Roland Brecht: Friedrich List. Bürger, Patriot und Visionär. Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2024, gebunden, 336 Seiten, Abbildungen, 25 Euro
Immanuel Kant. Im Jubiläumsjahr dikutieren der Schriftsteller Daniel Kehlmann („Die Vermessung der Welt“) und der deutsch-israelische Philosoph Omri Boehm („Radikaler Universalismus“) über Immanuel Kant und die wesentlichen Punkte seiner Philosophie. Im gefälligen Gesprächston erörtern sie dabei, weshalb Kant dem Begriff des Erhabenen nähergekommen ist als Ernst Jünger – Produzent „neurotischen Blödsinns“ – und wieso der Königsberger eigentlich schon ein halbes Jahrhundert früher als Nietzsche die „Gott ist tot“-Idee schuf. Ganz beiläufig fallen Namen wie Heine, Heidegger und Yeats. Einfälle werden ausgetauscht, Einwürfe gemacht. „Wir versuchen, Kant aus seinen eigenen historischen Voraussetzungen zu verstehen und zugleich ein Bild davon zu gewinnen, wie er uns dabei helfen kann, weiterzukommen auf jenem langen Weg, an dessen Ende wir hoffen dürfen, das zu sein, für das wir uns in voreiligen Momenten jetzt schon halten: eine Gemeinschaft denkender und freier Menschen“, kommentiert Kehlmann. So aalglatt diese Zielstellung auch sein mag, so wenig bringt sie dem Leser Gewinn ein, der von der Lektüre zwar bestens unterhalten, aber kaum vertrauter mit der revolutionären Kraft der Kantschen Philosophie wird. (fw)
Daniel Kehlmann, Omri Boehm: Der bestirnte Himmel über mir: Ein Gespräch über Kant. Eine originelle und zugängliche Annäherung an das Werk des großen Philosophen. Propyläen Verlag,, Berlin 2024, gebunden, 352 Seiten, 26 Euro