Wenn Gemeinden Neubaugebiete erschließen wollen, müssen sie für die Naturversiegelung im Bebauungsplan Ausgleichsflächen ausweisen, um den Bodenfraß auszugleichen. Das schreiben Naturschutzgesetze und Baurecht von Bund und Ländern vor. Die Ausgleichsflächen dürfen nicht bebaut oder land- und forstwirtschaftlich genutzt werden. Sie sollen als Biotope dem Artenschutz von Tieren und Pflanzen dienen. Das ist an sich eine gute Idee, denn täglich verschwinden große Teile der Landschaft unter Beton und Asphalt. Doch in der Praxis stottert dieses Kompensationsmodell: In manchen Kommunen findet der Flächenausgleich nur in der Theorie statt. Tatsächlich existieren gar keine Naturschutzareale. Den Behörden fehlt schlichtweg das Personal, um die Einhaltung der Vorgaben zu kontrollieren. Mancherorts gibt es nicht einmal eine zuständige Abteilung in der Verwaltung.
Eine angeblich ökologisch aufgewertete Ausgleichsfläche entpuppte sich als wilde Müllkippe.
Im bayerischen Kreis Dillingen sollte 2023 eine Streuobstwiese als Ausgleich für ein Neubaugebiet in Gundelfingen angelegt werden. Auf dem Papier war diese vorhanden. Tatsächlich fand sich vor Ort ein Kartoffelacker. In Ebersberg bei München entpuppte sich eine „ökologisch aufgewertete“ Ausgleichsfläche als wilde Müllkippe. Daraufhin wurden von 1.700 Flächen des Landkreises einige zufällig für eine Revision ausgewählt. Das Ergebnis war ernüchternd: Nur 20 Prozent der Stichproben waren zufriedenstellend, die Hälfte wies „schwere Mängel“ auf, war also als Artenschutzgebiet unbrauchbar. Ähnliche Berichte gibt es aus dem Münsterland oder dem Landkreis Rostock. Dabei gilt in vielen Ländern längst die Pflicht zur Führung eines „Öko-Katasters“, also einem Monitoring von Ausgleichsflächen. Jedoch steht als stellvertretendes Beispiel der Unteren Naturschutzbehörde im Landkreis Vorpommern-Greifswald nur eine halbe Planstelle für die Kontrolle Hunderter Flächen zur Verfügung. In vielen Landkreisen wird ein entsprechendes Kataster gar nicht geführt; die Behörden haben keinen Überblick über die Ausgleichsmaßnahmen. So lassen sich die Vorgaben zum Naturschutz heiter ignorieren oder Maßnahmen nur oberflächlich und untauglich umsetzen.