© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 13/24 / 22. März 2024

Ein krasses Mißverhältnis offenbart
IW-Studie: Die regionale Verteilung Niedrigqualifizierter zeigt, daß Asylzuwanderung kein Wirtschaftswunder bringt
Fabian Schmidt-Ahmad

Wir brauchen Einwanderung, um den Fachkräftemangel zu beheben. Dieses Credo, mit dem die Massenzuwanderung rechtfertigt wird, zeigt zunehmend Risse. Einige offenbart die Studie „Regionale Verteilung der Niedrigqualifizierten in Deutschland“ des Institutes der deutschen Wirtschaft (IW Trends 1/24). Diese stellt fest, daß anders als bei Facharbeitern die Beschäftigungslage von Ungelernten derzeit durchwachsen ist.

„Während mit dem Voranschreiten des demographischen Wandels Fachkräfteengpässe in zunehmendem Maß zu einer Bedrohung für Wachstum und Wohlstand werden, ist die Lage der An- und Ungelernten am deutschen Arbeitsmarkt nach wie vor schwierig“, heißt es in der Studie. Sprich: Von denen, die wir brauchen, haben wir viel zu wenige – und umgekehrt. Dabei macht das IW starke regionale Schwankungen aus, was durchaus für die Leistungsfähigkeit oder Schwäche einer Kommune relevant ist: „Leben in einer Region besonders viele Personen mit niedrigem Bildungsstand, ist dies nicht nur im Hinblick auf den dortigen Arbeitsmarkt eher nachteilig, sondern führt auch zu substantiellen Mehrausgaben für die Kommunen.“

Ist eine Region erst einmal „abgehängt“, verstärken sich die negativen Effekte auch anderswo. „Insbesondere gilt das für die Kinder der betroffenen Personen, die vielfach eine besondere Förderung in Kita und Schule benötigen.“ Welche Regionen sind nun besonders benachteiligt? Anders als das Bild der Großstadt als Wachstumsmotor vermuten läßt, sind es vor allem die Ballungszentren, die von dieser Entwicklung betroffen sind. „In Deutschland konzentrieren sich die Niedrigqualifizierten sehr stark auf die städtischen Bereiche“, heißt es.

Schlechtes Urteil für den einstigen Schmelztiegel Ruhrgebiet

So war 2019 der Anteil der Personen zwischen 25 und 64 ohne höhere Ausbildung „in den Großstädten mit über 100.000 Einwohnern mit 20,8 Prozent nahezu doppelt so hoch wie in den kleinen Gemeinden mit unter 5.000 Einwohnern mit 10,7 Prozent“. Anschaulich wird dies an Hamburg und Bremen, welche die Besonderheit besitzen, daß hier „die Anteile der Niedrigqualifizierten ohne Schulabschluß strukturell höher liegen als in den kleineren Kommunen des Umlands“. Maßgeblicher Faktor dürfte das sein, was derzeit als Heilmittel des Fachkräftemangels propagiert wird – die Einwanderung: „Sowohl das Stadt-Land-Gefälle als auch das West-Ost-Gefälle gehen vorwiegend auf Unterschiede bei der Zuwanderung zurück.“ 

Also genau das, was als Heilmittel des demographischen Wandels verkauft wird, identifizieren die Autoren en passant als Standortnachteil. Der Rekordabgabenweltmeister Deutschland ist nicht für Fachkräfte attraktiv, sondern für den Rest. „Im Jahr 2019 war mit 49,9 Prozent fast exakt die Hälfte der Niedrigqualifizierten im Alter zwischen 25 und 64 Jahren nicht in Deutschland geboren.“ Das ist ein krasses Mißverhältnis zwischen dem Ausbildungsstand der Zuwanderer und der Einheimischen. Da Zuwanderung gerade in den Ballungszentren stattfindet, wo bereits fest etablierte Strukturen aus dem Herkunftsland existieren, sorgt sie dafür, daß der Anteil der Geringqualifizierten wächst. „Dabei leben die im Ausland geborenen Niedrigqualifizierten mit einem Bevölkerungsanteil von 11,6 Prozent sehr viel häufiger in den Großstädten mit über 100.000 als in den kleinen Gemeinden mit unter 5.000 Einwohnern mit nur 3,2 Prozent.“ Deutlich wird dies am Ruhrgebiet.

Das Ruhrgebiet wird in der Debatte oft als Beispiel für gelungene Integration von Zuwanderern herangezogen. Doch der einstige Motor des deutschen Wirtschaftswunders ist mittlerweile Schlußlicht geworden. Für die Gegenwart muß das Urteil für den einstigen Schmelztiegel nüchterner ausfallen: „Im Ruhrgebiet kommt eine starke Zuwanderung Niedrigqualifizierter mit vielen im deutschen Bildungssystem gescheiterten Personen zusammen.“

Was für ein Fazit ist aus dem Befund zu ziehen? Konsequenterweise hätten die Autoren eigentlich einen Stopp der Zuwanderung fordern müssen. Einreisen darf nur, wer eine Qualifikation nachweisen kann. Diesen Schluß ziehen sie nicht. Stattdessen fordern sie eine bessere Verteilung zwischen den Regionen, um den beschriebenen Fahrstuhleffekt zu vermeiden, daß gleich ein ganzes Gebiet nach unten gezogen wird. Das allerdings geht natürlich nur bei Personen, die keine Freizügigkeit besitzen:

„Während sich die regionale Verteilung anderer Zuwanderergruppen kaum politisch steuern läßt, ist dies bei der Aufnahme Geflüchteter zumindest bis zum Abschluß der Asylverfahren sehr gut möglich.“ So könne darauf hingearbeitet werden, „daß im Ruhrgebiet mit seinen bereits sehr hohen Anteilen niedrigqualifizierter Personen vorwiegend Asylbewerber mit beruflichen oder akademischen Abschlüssen und möglichst wenige Personen ohne berufsqualifizierende Abschlüsse untergebracht werden“. Damit ist Zuwanderung auch aus Sicht der IW-Studie offiziell von einem Problemlöser zu einem Problem geworden.