© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 13/24 / 22. März 2024

US-Repräsentantenhaus verlangt von Bytedance den TikTok-Verkauf
Teures Wahlkampfopfer
Thomas Kirchner

Seit seiner Einführung im September 2017 stieg TikTok mit Kurzvideos von Null auf eine Milliarde Nutzer – deutlich weniger als die drei Milliarden von Facebook, aber das Doppelte der 500 Millionen von X/Twitter. Mit Erfolg kommt Neid: In Deutschland fordert eine Campact-Kampagne das Sperren der TikTok-Konten der AfD, weil diese ein Millionenpublikum erreichen. In den USA geht die Politik einen Schritt weiter: Ein im Repräsentantenhaus verabschiedetes Gesetz verlangt entweder die Verbannung der App oder den Verkauf an einen Amerikaner innerhalb von sechs Monaten.

Denn Eigentümer ist der chinesische Konzern Bytedance, der TikTok 2017 zusammen mit einer Musik-App für eine Milliarde Dollar erwarb. Doch ist Bytedance wirklich chinesisch? Gründer und Mitarbeiter halten je 20 Prozent, doch 60 Prozent gehören Finanzanlegern wie KKR und Sequoia oder Softbank (Japan). Ein chinesischer Staatskonzern soll ein Prozent von Gründern oder Mitarbeitern erworben haben. Erinnerungen an die Rußland-Sanktionen werden wach, als deren wahre Opfer sich die westlichen Eigner der sanktionierten russischen Firmen entpuppten. Daß TikTok jetzt unter Druck gerät liegt am US-Wahlkampf in den USA, wo Joe Biden ohne Rücksicht auf Verluste die Wiederwahl anstrebt. Deutschland bekommt das beim Flüssigerdgas (LNG) zu spüren. Wobei China den Schlagabtausch selbst verschuldet, denn seit Jahren schottet es seinen Markt ab. Der große Fehler des Westens war die bedingungslose Aufnahme des Landes in die Welthandelsorganisation (WHO) in der Hoffnung, eine offene Gesellschaft wie in Osteuropa würde entstehen.

Das Gegenteil ist der Fall: China mißbraucht den Marktzugang in den Industrieländern in Verbindung mit Kapitalverkehrskontrollen, Technologiediebstahl und Abschottung des eigenen Markts zur Anhäufung merkantilistischer Exportüberschüsse. Im Vergleich zum aggressiven Vorgehen der EWG/EG in den 1970er und 1980er Jahren gegen Dumping zur Devisenbeschaffung durch die Ostblock-Staaten (RGW/Comecon) ist China lange glimpflich davongekommen. Widerstand kam erst mit Donald Trumps Strafzöllen und Sanktionen auf, die inzwischen als parteiübergreifender Konsens von Biden fortgeführt und noch verschärft wurden. Mit dem erzwungenen Eigentümerwechsel bekommt China nun die Quittung für die langjährige Blockade der großen amerikanischen Internetkonzerne, die auch Großspender der US-Demokraten sind. Biden hat bereits angekündigt, das Gesetz unterschreiben zu wollen, wenn es im Senat verabschiedet wird.

Bytedance seinerseits hat für diesen Fall bereits rechtliche Schritte angekündigt. Die Angelegenheit dürfte sich also auf deutlich länger als sechs Monate hinauszögern. Mehrere potentielle Käufer haben Interesse bekundet: Microsoft hatte bereits 2021 einen Kaufversuch unternommen, der scheiterte, und könnte es erneut versuchen. Bobby Kotick, der den Spielekonzern Activision Blizzard 2023 an Microsoft verkaufte, soll mit Sam Altman (OpenAI) über eine Finanzierung gesprochen haben. Trumps Ex-Finanzminister Steven Mnuchin verkündete sein Interesse im Fernsehen. Der Kostenpunkt dürfte in der Größenordnung von 100 bis 150 Milliarden Dollar liegen. Die Höhe läßt Beobachter an der Machbarkeit zweifeln. Doch es ist deutlich weniger als die 180-Milliarden-Übernahme von Mannesmann durch Vodafone. Außer Microsoft kommen daher nur Bietergemeinschaften als Käufer in Frage.