© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 13/24 / 22. März 2024

Putin bleibt Putin
Rußland: Während der Westen die Wahl ignoriert, feiert der Kreml-Sprecher den „absoluten Triumph“ des Langzeitpräsidenten
Paul Leonhard

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow zeigte sich voll des Lobes. Wladimir Putins erdrutschartiger Sieg bei den russischen Präsidentschaftswahlen sei ein bemerkenswerter Triumph, eine einzigartige Leistung. Putin habe in der Tat etwas „wirklich Einzigartiges“ erreicht. Das Ausmaß der öffentlichen Unterstützung unterstreiche seinen absoluten Triumph und sei der beste Beweis dafür, daß die Menschen in unserem Land ihren Präsidenten unterstützen und sich hinter seinen politischen Kurs stellen“, zitierte Tass Peskows Würdigung.

 Putin, für den es die fünfte Amtszeit ist, kann sechs weitere Jahre an der Spitze des Riesenreiches stehen und theoretisch sogar 2030 noch einmal antreten. Das Wahlergebnis in Höhe von rund 87,3 Prozent bei einer Wahlbeteiligung von 74 Prozent  überrascht nicht. Daß die Mehrheit der Russen vor allem Stabilität wünscht, hatten im Vorfeld der Wahlen alle Korrespondenten und Rußland-Experten übereinstimmend eingestanden. Auch hatte sich Putin gründlich vorbereitet, indem er  das Kandidatenfeld kontrollierte.

EU-Ratspräsident gratulierte Putin  schon am ersten Wahltag 

Wie die Wahlen tatsächlich abgelaufen sind, läßt sich aus Deutschland heraus schwer beurteilen. Laut Stanislaw Andrejtschuk, Co-Vorsitzender der unabhängigen Wahlbeobachtungsstelle Golos, hätte der Druck auf die Wähler durch die Strafverfolgungsbehörden „ein noch nie dagewesenes Ausmaß“ erreicht. So seien Wähler in den Wahllokalen durchsucht und ihre Stimmzettel vor der Abgabe überprüft worden. Die Opposition, so die nicht zugelassene Präsidentschaftskandidatin Jekaterina Dunzowa, die die Partei „Morgendämmerung“ gegründet hat, und die Witwe von Kremlkritiker Alexej Nawalny, Julia Nawalnaja, hatten als Zeichen des Widerstands gegen Putin die Wähler aufgefordert, am Sonntag, zwölf Uhr, vor den Wahllokalen zu erscheinen und dann den Wahlzettel zu zerreißen, andere Namen darauf zu schreiben oder einfach demonstrativ, ohne vom Wahlrecht Gebrauch zu machen, wieder nach Hause zu gehen.

In seiner Siegesrede teilte Putin seinen Anhängern mit, daß er der Lösung von Aufgaben im Zusammenhang mit der, wie er es nannte, „speziellen Militäroperation“ Rußlands in der Ukraine Priorität einräumen und das russische Militär stärken werde. „Wir haben viele Aufgaben vor uns. Aber wenn wir gefestigt sind – egal, wer uns einschüchtern oder unterdrücken will –, hat es in der Geschichte noch nie jemand geschafft, sie haben es jetzt nicht geschafft, und sie werden es auch in Zukunft nie schaffen“, betonte der russische Präsident.

Vor diesem Hintergrund verurteilte das französische Außenministerium die in den ukrainischen Regionen abgehaltenen „sogenannten Wahlen“ als „einen neuen Verstoß gegen das Völkerrecht und die Charta der Vereinten Nationen“ und lobte die vielen Russen, die friedlich gegen die Wahl protestiert hatten. „Die Wahlen sind offensichtlich weder frei noch fair, wenn man bedenkt, wie Herr Putin politische Gegner eingesperrt und andere daran gehindert hat, gegen ihn anzutreten“, betonte ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates des Weißen Hauses. Bereits am Freitag, dem ersten Wahltag, hatte EU-Ratspräsident Charles Michel Putin sarkastisch zu seinem „Erdrutschsieg“ gratuliert.

Moskau wies die US-Erklärung zurück. „Wir lehnen diese Einschätzung kategorisch ab. In einem Gespräch mit Journalisten gestern am späten Abend stellte Putin fest, daß solche Einschätzungen durchaus erwartet und vorhersehbar seien“, betonte Peskow und fügte hinzu, daß die Vereinigten Staaten „tief in den Konflikt in der Ukraine verwickelt“ seien. Angesichts dieser Gemengelage gratulierte Bundeskanzler Scholz Putin nicht zum Sieg. „Der Bundeskanzler hat nicht gratuliert. Und Sie wissen ja, daß wir diese sogenannte Wahl in Rußland als weder frei noch fair ansehen“, erklärte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann am Montag auf Nachfrage von Journalisten in Berlin.

Im Gegenzug meldete die Nachrichtenagentut Tass am Montag, daß Rußland von Deutschland die offizielle Anerkennung der Belagerung Leningrads als Völkermord einfordere. In der Tass vorliegenden russischen Note heiße es, die Behauptungen Berlins, das Problem sei durch die Zahlung von Reparationen nach dem Zweiten Weltkrieg gelöst worden, seien „völlig inakzeptabel und nicht überzeugend“.