Hartnäckigkeit ist Kay-Uwe Ziegler nicht abzusprechen. Der AfD-Abgeordnete war von seiner Fraktion zum Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses des Bundestages bestimmt worden. Nach den Regularien teilen die Fraktionen die Vorsitze in den Ausschüssen unter sich auf.
In der vorigen Legislaturperiode wurden auch der AfD Ausschußvorsitzende zugestanden; mit der Verschärfung des „Kampfs gegen Rechts“ war damit nach der Bundestagswahl 2021 Schluß. Seitdem gibt es statt der vorher üblichen Einsetzungen ein Wahlverfahren, bei dem stets andere Kandidaten als die der AfD gewählt wurden. Unter Berufung auf die Geschäftsordnung läßt sich nun in jeder Sitzung des Gesundheitsausschusses ein AfD-Mitglied zum Vorsitzenden bestimmen. Die anderen Fraktionen pflegen daraufhin eine geheime Wahl zu beantragen, obwohl Paragraph 58 der Geschäftsordnung keine Wahl vorsieht, sondern klar vorschreibt: „Die Ausschüsse bestimmen ihre Vorsitzenden und deren Stellvertreter nach den Vereinbarungen im Ältestenrat.“ Die Erweiterung der Tagesordnung um eine Wahl sieht die AfD als unzulässig an, denn das gehe nach Paragraph 61 der Geschäftsordnung nur, wenn nicht eine Fraktion widerspreche. Und das hatte die AfD getan.
Zu Beginn der Sitzung vergangene Woche griff Ziegler zu einem drastischen Mittel, um den Anspruch auf den Vorsitz zu demonstrieren. Er setzte sich vor Beginn auf den Vorsitzendenstuhl und stellte ein Schild mit der Aufschrift „Ausschußvorsitzender“ auf. Die Mitglieder der anderen Fraktionen blieben jedoch vor der Saaltür stehen, so daß die Sitzung nicht beginnen konnte. Nach einer Viertelstunde räumte Ziegler den Platz. Das Gremium wäre durch das Nichterscheinen der anderen Fraktionen ohnehin nicht beschlußfähig gewesen.
Der gesundheitspolitische Sprecher der AfD, Martin Sichert, verurteilte im Anschluß „diese destruktive Haltung der anderen Fraktionen“, da sie so verhindert hätten, „die uns gemäß Geschäftsordnung des Bundestages und Vereinbarungen im Ältestenrat zustehenden Ausschußvorsitze mit Leben zu füllen“. Doch diese anderen sahen das ganz anders – an der Spitze Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD), die gegen Ziegler ein Ordnungsgeldverfahren „wegen einer nicht nur geringen Verletzung der Hausordnung des Bundestages“ einleitete. Dem Abgeordneten droht eine Geldbuße von bis zu tausend Euro.
Die Aufregung über die Aktion war groß. Von einer „Putschübung“ oder „versuchter Selbstermächtigung“ der AfD war die Rede. Die stellvertretende Ausschußvorsitzende Kirsten Kappert-Gonter (Grüne) erhob schwere Vorwürfe: „Die AfD hat ihre Ignoranz und Mißachtung der demokratischen Regeln und Gepflogenheiten in einer neuen Qualität demonstriert.“ Allerdings kann dieser Vorwurf auf die Ampel und die CDU/CSU zurückfallen, die der AfD ihre Rechte vorenthalten. Endgültige Klarheit dürfte ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts bringen, das von der AfD angerufen wurde und diese Woche darüber verhandelt.