© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 13/24 / 22. März 2024

Nur gefühlt bedroht
Nach Bericht über Bundestagsmitarbeiter: Wieder einmal ertönt der Ruf nach strengeren Zutrittsregeln – Gründe dafür gibt es eigentlich nicht
Christian Vollradt

Nicht nur durchs Dorf, auch durchs Parlament wird gelegentlich eine neue Sau getrieben. Im übertragenen Sinne freilich, nicht wortwörtlich. Vergangene Woche geschah dies mit einem Bericht des Bayerischen Rundfunks, dem zufolge rund hundert Personen als Mitarbeiter für die AfD-Bundestagsfraktion oder AfD-Abgeordnete tätig seien, die Mitglied in einer vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Organisation sind. Die Nachricht sorgte, kaum verwunderlich, für einigermaßen Furore. Wobei das Ganze etwas an einen Zirkelschluß erinnert. 

Denn wenn der Verfassungsschutz die AfD ohnehin schon des Rechtsextremismus zumindest verdächtigt (siehe oben und Seite 4), dann dürfte es nicht wunder nehmen, daß dies auch Personen betrifft, die für Fraktion oder Fraktionsmitglieder dieser Partei arbeiten. Zumal jeder Angestellte, der Mitglied eines der als „gesichert rechtsextrem“ eingestuften Landesverbände oder des Parteinachwuchses Junge Alternative ist, vom Verfassungsschutz entsprechend einsortiert wird.   

Von Achselzucken jedoch keine Spur, im Hohen Haus war stattdessen Alarmstimmung angesagt. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) plädierte dafür, über weitere gesetzliche Regelungen nachzudenken, „um Schutz und Sicherheit im Inneren des Parlaments zu gewährleisten“. Ihre Vize Katrin Göring-Eckardt (Grüne) nannte die Ergebnisse der Recherche „erschütternd“.  Sie forderte umgehend eine Verschärfung der Hausregeln. Man könne es nicht einfach so laufen lassen, daß Verfassungsfeinde, die im Bundestag arbeiten, weiterhin aus Steuergeld bezahlt werden.

Der Ältestenrat soll sich nun offenbar mit möglichen Verschärfungen – wieder einmal auch der Zugangsregeln – befassen. Dabei wird diesbezüglich schon jetzt differenziert. Wer beispielsweise im polizeilichen Informationssystem im Zusammenhang mit einer Straftat geführt wird, dem kann als Mitarbeiter „wegen begründeter Zweifel an der Zuverlässigkeit“ ein Hausausweis für die Liegenschaften verweigert werden. 2016 betraf das beispielsweise den ehemaligen RAF-Terroristen Christian Klar, der für den damaligen Linken-Abgeordneten Diether Dehm tätig war – worüber seinerzeit die JUNGE FREIHEIT als erstes berichtet hatte. 

Aktenkundig ist  kein einziger Vorfall

Jüngst machte auch der Fall eines Mitarbeiters des Bundestagsabgeordneten Eugen Schmidt (AfD) Schlagzeilen. Wladimir Sergijenko soll einem Bericht des Spiegel zufolge „in engem Austausch mit dem russischen Geheimdienst FSB“ gestanden haben. Der Betreffende bestritt dies, der Bundestag entzog ihm aus Sicherheitsgründen dennoch den Hausausweis. Als Sergijenko an einer Veranstaltung von Fraktionsmitgliedern im Bundestag teilnahm, konnte er dies nur in Begleitung von Beamten der Bundestagspolizei. 

Im Zusammenhang mit den BR-Recherchen über AfD-Mitarbeiter ging es dann aber auch um die „gefühlte“ Unsicherheit. Wenn er spät abends allein in seinem Büro sei, schließe er aus Angst vor möglichen Übergriffen lieber die Tür ab, bekannte der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Ost-Beauftragte Marco Wanderwitz gegenüber dem Fernsehteam. Als derjenige, der (bisher erfolglos) fraktionsübergreifend Unterstützer für einen AfD-Verbotsantrag sammelt, sieht er sich offenbar als besonders gefährdet an. 

Das erinnert an jene vor exakt fünf Jahren durchs Bundestagsdorf getriebene Sau, wonach sich Mitarbeiter von SPD, Grünen und Linken über angeblich bedrohliche Gesten und Pöbeleien durch AfD-Mitarbeiter beklagt hätten. Aktenkundig wurden allerdings keine derartigen Fälle. Und wie sieht es aktuell aus? 

„Der Polizei beim Deutschen Bundestag sind in dieser Legislaturperiode keine Vorfälle bekannt geworden, bei denen Mitarbeiter oder Abgeordnete innerhalb der Liegenschaften des Bundestags von Mitarbeitern einer anderen Fraktion bedroht, beleidigt oder angegriffen wurden“, teilte die Pressestelle des Parlaments auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT mit.