Frau B., hätten Sie so etwas je für möglich gehalten?
Annett B.: Nein, nie im Leben. Es ist unglaublich, was meiner Tochter angetan wurde und wird!
Loretta, wie geht es Dir?
Loretta: Nicht so gut. Aber die Solidarität, die mir in den sozialen Netzwerken von völlig fremden Menschen zuteil wird, überwältigt mich.
Frau B., laut Landesinnenminister Christian Pegel haben die Beamten „die Verhältnismäßigkeit gewahrt“.
B.: Ich bitte Sie, Loretta wurde vor aller Augen quasi abgeführt! Wenn Herr Pegel nun sagt, sie sei ja nicht in Handschellen gelegt worden, ist das zynisch.
Laut Polizei hätten ihre Klassenkameraden „die Beamten gar nicht wahrgenommen“.
B.: Zahlreiche Schüler waren Augenzeuge! Offenbar hatte man kein Interesse, die Sache diskret zu lösen.
Loretta, wie war es wirklich?
Loretta: Meine Mutter hat recht. Ich habe die stechenden Blicke aller auf mir gespürt. Es war das absolut Peinlichste, was mir je geschehen ist.
B.: Man kann unsere konservative politische Meinung ablehnen, falsch und verwerflich finden, wir respektieren das. Aber deswegen die Polizei zu rufen – das ist doch einfach nicht zu fassen! Loretta dann auch noch aus dem Unterricht zu holen und wie eine Straftäterin durch die Schule zu eskortieren und hinterher in der Presse zu verbreiten, es sei nötig gewesen, eine „Gefährderansprache“ ihr gegenüber durchzuführen und so eine völlig unschuldige Minderjährige als potentielle Kriminelle darzustellen – ist diesen Leute klar, was sie da tun?
Laut Landespolizeigesetz ist eine solche Ansprache gerechtfertigt, um „Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird“.
B.: Die politische Meinung meiner Tochter bedroht nicht „die öffentliche Sicherheit oder Ordnung“! Mein Gott, Sie hat vor Monaten bei TikTok ein Schlumpf-Video mit Deutschlandkarte gepostet!
Loretta, warum hast Du das gemacht?
Loretta: Weil ich die AfD ein bißchen supporten wollte, die immer niedergemacht wird, was unfair ist. Da hab ich Schlümpfe und ne Karte gepostet, auf der je nach Landtagswahlergebnis die Bundesländer verschieden stark blau eingefärbt sind und geschrieben: „Die Schlümpfe sind blau – und Deutschland auch!“ Außerdem habe ich gepostet, daß unser Deutschland nicht nur ein Ort ist, sondern „Heimat“ – und das für viele Nationalitäten, die hier leben.
Das kann unmöglich alles sein?
Loretta: Weiter habe ich etwa gepostet, daß Alice Weidel mein Vorbild ist oder das Björn-Höcke-Zitat, „Ihr erzieht eure Kinder zu Schafen und laßt Wölfe ins Land“, weil mir als Mädchen genau das Angst macht! Aber darum ging es nicht.
Erzähl mal von Anfang an, was ist genau passiert?
Loretta: Am 27. Februar, kurz vor zehn, wir hatten gerade Chemieunterricht, sehen wir durchs Fenster ein Polizeiauto und drei Beamte betreten die Schule. Kurz darauf steht der Direktor in der Tür.
Anders als die JF zunächst online berichtet hat, haben die Beamten den Raum nicht betreten?
Loretta: Nein, sie blieben im Flur und Direktor Zimmermann bat mich heraus.
Haben sie sich dort tatsächlich so gestellt, daß die Klasse sie nicht sehen konnte, wie die Polizei behauptet?
Loretta: Nein, das stimmt nicht. Es klopfte und Herr Zimmermann trat ein, die Tür dabei so weit geöffnet, daß wir die drei deutlich sehen konnten. Alle dachten, was ist jetzt los? Und dann fiel mein Name! Da schwante mir schon, worum es ging.
Wieso, wenn Deine TikTok-Videos harmlos waren?
Loretta: Weil die AfD gerne „verfassungsfeindlich“ genannt wird und sie das einzige sind, was man mir überhaupt vorwerfen könnte. Es ging dann zum Lehrerzimmer: ein Polizist vor und hinter mir, einer seitlich und Herr Zimmermann halbschräg gegenüber.
Wie bei einem Verdächtigen, der flüchten könnte?
Loretta: So kam ich mir schon ein wenig vor.
Haben sich die Polizisten vielleicht zufällig so gestellt?
Loretta: Kann sein, weiß ich nicht, möglich.
Oder sollte im Gegenteil die Strenge einer polizeilichen Maßnahme demonstrativ herausgestellt werden?
Loretta: Auch möglich, weiß ich wirklich nicht. Ich weiß nur, daß ich von Polizisten umrahmt durch die Schule geführt wurde, durchs Atrium, wo mindestens zwei Oberstufenklassen saßen: Die Stimmen verstummten und alle starrten mich an, schlimm! Endlich das Lehrerzimmer, aber leider waren dort Herrn Zimmermanns Sekretär, der Hausmeister und ein Lehrer, was wieder sehr peinlich war, denn was würden sie denken, wenn die Polizei mich bringt?
Was war denn der Anlaß dafür?
Loretta: Herr Zimmermann hatte offenbar irgendwelche TikTok-Posts von mir zugeschickt bekommen, von wem wissen wir nicht.
Die „Welt“ berichtet nun, Du hättest „stolze Deutsche“, Bilder von Runen, altdeutsche Schrift, die Parole „Heimat, Freiheit, Tradition – Multikulti Endstation“ der Identitären Bewegung und das Symbol der Anti-Antifa gepostet sowie dich vermummt.
Loretta: „Vermummt“? Sie meinen maskiert, ja natürlich, mein Gesicht poste ich doch nicht im Internet, grundsätzlich nicht, nicht mal auf meinem Profilbild bei WhatsApp. Überall wird man doch gewarnt, man soll mit seinen Daten bloß vorsichtig sein! Und klar bin ich ne stolze Deutsche und gegen die Antifa, weil ich gegen Extremismus und politische Gewalt bin. Multikulti Endstation ja, hat doch schon Frau Merkel gesagt, was diese Bewegung und was Runen sind, weiß ich allerdings nicht.
Aber es sind Deine Posts?
Loretta: Ja, allerdings sehe ich sie heute zum ersten mal wieder!
Im Lehrerzimmer wurden Sie Dir nicht gezeigt?
Loretta: Nein, nicht mal erwähnt.
Aber wegen dieser Posts wurde doch die Polizei gerufen.
Loretta: Auch das habe ich erst heute erfahren!
Das wußtest Du nicht?
Loretta: Nein, ich sage doch, ich dachte, es geht um die Schlümpfe und um „Deutschland ist Heimat“.
Aber die Schlümpfe sind unter den nun vorliegenden Posts gar nicht zu finden?
B.: Ja, wir fallen auch aus allen Wolken! Wir vermuten jetzt, daß es ein Mißverständnis war.
Inwiefern?
B.: Loretta wurde gefragt, ob sie wisse, warum man sie aus der Klasse geholt habe.
Loretta: Sagte ich doch, mir war gleich klar, das kann nur mein AfD-Support sein.
B.: Und dem haben die Beamten nicht widersprochen – das Kind aber auch nicht aufgeklärt.
Wow, echte Profis Ihre Polizei.
B.: Vor allem verstehe ich nicht, daß wir ja schon seit Tagen über das Schlumpf-Video öffentlich sprechen aber, selbst seitdem weder Polizei noch Rektor auf die Idee kamen, uns mal aufzuklären.
Sieht man sich die Bilder an, fragt man sich allerdings, ob der 1. April ist: Teenager posiert im Internet mit legalen deutschen Nationalsymbolen – Polizeieinsatz!
B.: Ja, das ist in der Tat nicht zu fassen!
Loretta: Eben deshalb sind mir auch nur die AfD-Posts eingefallen. Daß in Deutschland die Polizei wegen Schwarz-Rot-Gold, Nationalstolz und Multikulti nein danke kommt, hätte ich niemals für möglich gehalten. Da erscheint mir auch jetzt noch selbst das Schlumpf-Video bei weitem plausibler. Denn darin geht es wengistens um die AfD, gegen die es ja immerhin diese Vorwürfe gibt, sie sei extremistisch und verfassungsfeindlich, aber nur weil ich Deutschland gut finde und gegen die Antifa bin?
Ob nun AfD oder Nationalstolz. Was haben die Polizisten denn zu Dir gesagt?
Loretta: Daß das, was ich getan hätte, keine strafrechtliche Relevanz habe.
Ohne zu sagen, was sie damit meinen, einfach in der Annahme, Du wüßtest schon, worüber sie reden?
Loretta: Ja.
Und wie ging diese Verwechslungskomödie aus der Klamottenkiste weiter?
Loretta: Sie sprachen von Volksverhetzung und, ich glaube, Verfassungsfeindlichkeit wurden genannt.
Was jetzt? Eben hieß es, es lag keine Straftat vor?
Loretta: Hab ich auch nicht verstanden und gesagt, die AfD sei nicht verfassungsfeindlich oder rechtsextremistisch. Im Augenwinkel sah ich da, wie Herr Zimmermann die Augen verdrehte.
Moment, spätestens da müssen die Polizisten doch gesagt haben: es geht hier nicht um die AfD, wir sprechen von Ihrem Posieren im Internet.
Loretta: Nein. Einer sagte nur, ich hätte auf Tiktok „zu viel Nationalstolz“ gezeigt, aber das paßt ja ebenso auf meine AfD-Videos.
Bitte? Dir wurde wörtlich „zu viel Nationalstolz“ vorgeworfen?
Loretta: Ja.
Matthias Mattusek schrieb 2006, in Deutschland komme bei Nationalstolz der Arzt.
B.: Na, da sieht man ja, welche Fortschritte wir seitdem gemacht haben!
Und was wollten Sie denn nun von Dir, worauf lief das hinaus?
Loretta: Na, daß ich das künftig nicht mehr tue.
Deine politische Überzeugung frei zu äußern?
Loretta: Ja, also im Internet.
B.: Sehen Sie, das ist doch nicht zu fassen! Soviel zur Meinungsfreiheit und Demokratie.
Und Du hast Ihre Namen und Dienstnummern verlangt und Dienstaufsichtsbeschwerde wegen „Schikane“ und „Diskriminierung“ angekündigt?
Loretta: Nein, ich versprach ihnen, was sie wollten.
Was? Wieso? Das war doch politische Einschüchterung.
Loretta: Weil ich vor Monaten, da ich immer gelöscht wurde, eh aufgehört hatte, AfD-TikToks hochzuladen, ich dachte ja immer noch, es geht um sie.
Loretta, an wen verkaufst Du die Filmrechte?
Loretta: Für mich war das alles wirklich schlimm.
Pardon.Was ist mit der „Gefährderansprache“, mit welcher von Dir ausgehenden Gefahr für die Sicherheit von Staat und Ordnung wurde diese gerechtfertigt?
Loretta: Sie meinten, sie wüßten ja nicht, ob ich nicht etwa anderen „die Fresse poliere“.
War es schwer, die Beamten davon zu überzeugen, daß Du nicht planst, anderen Leute Zähne auszuschlagen?
Loretta: Nein, deshalb meinten sie auch, daß es dann eben meinem eigenen Schutz diene.
Ach so, Du sollst also zum eigenen Wohl auf Deine freie Meinungsäußerung verzichten. Weil sonst was passiert?
Loretta: Na, sonst könnte mir ja mal was passieren.
Wer öffentlich eine andere Meinung äußert, braucht in Mecklenburg also bereits den Beistand der Polizei?
B.: Nachdem diese ja alles dafür getan hat, daß mein Kind nun öffentlich wie eine rechtsextreme Gewalttäterin dasteht, habe ich diese Angst tatsächlich! Dabei ist Loretta eine tolle Persönlichkeit, mit starkem Charakter, die, wie wir es ihr beigebracht haben, respektvoll mit Menschen umgeht und tolerant gegenüber anderen Ansichten und Meinungen ist. Jemanden einfach zu beleidigen, niederzumachen, zu mobben, kenne ich von ihr nicht. Sonst wäre ich die erste auf der Zinne! Aber ich muß mich da gar nicht sorgen, so etwas würde sie nie tun! Und daher ist völlig ausgeschlossen, daß meine Tochter je etwas auch nur im entferntesten Rechtsextremes postet. Und das hätte auch der Rektor wissen können. Stattdessen wurde mein Kind öffentlich vorgeführt!
Sie meinen, es war Ziel, Loretta zu demütigen?
B.: Ich glaube, man wollte an ihr ein Exempel statuieren: „Seht her, so geht es Schülern, die politisch nicht auf Linie sind!“ Dabei gab es an der Schule gerade das Projekt „Demokratie stärken“, unterstützt von der Friedrich-Ebert-Stiftung. Und zur Politik gehört auch Opposition, denn ohne verschiedene Meinungen keine Demokratie. In Lorettas Fall aber wurde diese mit Füßen getreten.
Werden Sie also gegen die Polizei anwaltlich vorgehen?
B.: Die eigentliche Schuld trägt Herr Zimmermann, die Polizei konnte ihn nicht ignorieren und hat bei aller Kritik am Vorgehen im Grunde ihre Arbeit gemacht. Wieso aber hat er sie überhaupt gerufen, statt, wenn es überhaupt ein Problem gegeben hätte, sich erstmal an die Eltern zu wenden? Zumal die Schulordnung sagt, daß eben das immer zuerst zu passieren hat! Sowie daß Maßnahmen auf Verhältnismäßigkeit geprüft werden müssen. Beides wurde zum Schaden unserer Tochter ignoriert!
Warum?
B.: Mein Anruf bei ihm verlief ergebnislos, da er wegen einer Anweisung des Bildungsministeriums gar nicht habe anders handeln können, wonach im Verdachtsfall Ministerium, Schulamt und Polizei zu informieren sind, um ihn auf rechtsextremistisch-verfassungsfeindliche Inhalte zu prüfen. Warum aber wissen wir Eltern nichts davon? Ich hoffe, daß die AfD im Landtag das nun aufklären kann. Es ist für Loretta, für alle Kinder und Eltern sehr wichtig, herauszufinden, wer für dieses Vorgehen an den Schulen verantworlich ist und daß dann Konsequenzen gezogen werden. Denn gibt es diese Anweisung, kann jeder Bösartiges und Falsches über einen Mitschüler behaupten und ihn in größte Not bringen: Der reinste Freifahrtschein für Mobbing! Und die Polizei zu rufen, ohne wenigstens auch die Eltern einzuschalten, überschreitet eine rote Linie! Die große Solidarität, die wir nun erleben, zeigt mir, wie sehr es die Leute wütend macht, daß nun schon Kinder politisch angegriffen und verfolgt werden.
Was verlangen Sie vom Schuldirektor?
B.: Da Loretta, wie die Polizei ja auch der Presse bestätigt hat, nichts vorzuwerfen ist, hätte ich erwartet, daß er sich öffentlich bei ihr entschuldigt und vor allen Schülern klarstellt, daß der Verdacht auf Rechtsextremismus vollkommen haltlos war!
Loretta: Was mich ehrlich erschreckt ist, daß ich die TikToks in meiner Freizeit gemacht hatte. Also wieso werde ich von ihm und an meiner Schule öffentlich dafür gemaßregelt? Der „Anlaß“ hat doch gar nichts mit ihr zu tun! Zumal ich an der Schule konsequent neutral bin und mich mit der Äußerung meiner Meinung zurückhalte. Nun erlebe ich dort sehr häßliche Dinge seitens einiger linksorientierter Schüler, die sich aber nur in der Gruppe trauen. Wenigstens aber in meiner Klasse finden die meisten gut, daß ich den Mut hatte, zumindest auf TikTok meine Meinung zu sagen.
Annett und Loretta B., die 41jährige Sachbearbeiterin und die 16jährige Schülerin leben mit dem 40jährigen Vater im mecklenburgischen Ribnitz-Damgarten zwischen Rostock und Stralsund, wo die Neuntkläßlerin das Richard-Wossidlo-Gymnasium besucht.