Vögel zwitschern irgendwo im Geäst. Ein Rabe hüpft auf dem Gehweg und sammelt Stöckchen zum Nestbau. Jogger laufen keuchend mit nackten Beinen an mir vorbei, als würden sie den Einzug des Frühlings persönlich verkünden wollen. Ein paar Autobesitzer kämpfen dagegen mit verbissenen Mienen und Eiskratzern gegen die nächtliche Machtdemonstration des Winters, der die Scheiben ihrer Fahrzeuge hat vereisen lassen und so allen Frauen droht, mit dem Bepflanzen der Balkons und Terrassen noch zu warten.
Die Kinder haben etwas anderes entdeckt: einen braunen Fleck, der am Ende der Wiese entlanghoppelt.
Am stahlblauen Himmel schreiben eine Handvoll strahlgetriebene Friedenstauben ihre weißen Signaturen. Die Natur befindet sich bereits in ihrem ersten Blütenrausch. Überall sind auf dem grünen Rasen täglich neue Farbtupfer zu entdecken: Neben den offenbar das ganze Jahr blühenden Gänseblümchen natürlich Grüppchen von Schneeglöckchen, den traditionell ersten Frühlingsboten. Ein Stück weiter das erste Gelb – ein ganzer Quadratmeter voller verwilderter Winterlinge.
Die Kinder sind begeistert. Denn mit ihnen spaziere ich durch die Natur. Die Frühlingsblüher sind demnächst Thema, hat die Lehrerin auf ihrem Aufgabenzettel notiert. Also warum nicht den Kleinen zu einem kleinen Wissensvorsprung verhelfen. Ich zeige auf erste Märzenbecher, die ihre Köpfe aus der Erde stecken. Neben gelben Krokussen ist die Modefarbe in diesem Jahr Lila. Wohin ich auch blicke: erst Dutzende, später Hunderte violetter Krokusse. Sie wachsen selbst entlang der Hecken und in Dornenbüschen, in denen keine Menschenhand ihre Zwiebeln gesteckt hätte. Deutschland einig Krokusland. Sind es tatsächlich die Mäuse gewesen, die für die Vermehrung dieser Frühlingsblüher gesorgt haben, wie eine Bekannte mir versichert? Ich habe da meine Zweifel. Eher tippe ich auf Wind und Insekten.
Tatsächlich sitzt da auf einem Strauch eine erste träge Wespe. Die Kinder haben aber etwas anderes entdeckt – einen braunen Fleck am Ende der Wiese. Als er sich hoppelnd in Bewegung setzt, sehe ich ihn auch. „Papa“, tönt es da schon: „Der Osterhase.“ Und die beiden Kinder rennen juchzend los. „Laßt den armen Hasen in Ruhe“, rufe ich ihnen noch nach. Die Tochter dreht sich empört um, „wir suchen die Ostereier“, und spurtet ihrem Bruder hinterher.
Du schaust mich an und auf einmal ist Frühling.
Frank Sinatra (1915–1998)