Der schokobraune Kopf scheint den Mann überhaupt nicht zu interessieren. Gebannt starrt er mit dem Fernrohr nicht auf das grau-weiße Winterkleid, sondern ungeniert auf die Beine, dreht am Okular, notiert dann etwas. Gleichzeitig stößt das Beobachtungsobjekt Laute aus, als würde es sich über den Mann lustig machen. Eine Osteuropäerin wahrscheinlich, selten handelt es sich um eine Französin, die hier in Landshut aufmerksam die Grundschüler beobachtet. Zweifellos eine Chroicocephalus ridibundus. Aber wo kommt sie her und was macht sie in Bayern? „Mitmachmöwen“ haben Stefan Böger und Philipp Herrmann ihr Projekt genannt, mit dem sie etwas über die Zugrouten der Lachmöwen, einer im Gegensatz zur Sturmmöwe klassischen Binnenlandmöwe, erfahren. Mitstreiter sind willkommen. So wissen die zwei Biologen, daß die Vögel gelernt haben, zwischen Grund- und Oberschulen zu unterscheiden. Letztere sind uninteressanter, weil die Kinder ihr Pausenbrot selten fallen lassen.
Längst haben die Zugeflogenen gelernt, daß bei den Menschen hier nicht nur Freßbares zu holen ist.
Und die Möwen in Nürnberg oder München stammen nicht von nahen Seen. Was die Frage aufwirft, was aus den einheimischen Lachmöwen – die ersten wurden 1910 am Wörthsee beringt – geworden ist, die so heimattreu waren, daß damals in eine nord- und eine südbayerische Population unterschieden wurde. Statt von ihnen liest man von Mittelmeermöwen, die die Insel Sassau am Walchensee in Beschlag nahmen und sich an den Küken von Stockenten, Haubentauchern oder Gänsesägern gütlich taten. Möwen fressen Regenwürmer, Kerbtiere und Mäuse, aber auch Essensreste. Längst haben sie gelernt, daß bei den Menschen Freßbares zu holen ist, nicht aber, wann diese bereit sind, es abzugeben. Und weil die Akrobaten der Lüfte sich auch Sachen schnappen können, die nicht für sie gedacht waren, gelten sie als hartnäckig und frech. Haben sie sich einmal angesiedelt, sind sie kaum wieder zu vertreiben. Die Naturschützer raten zu Gelassenheit. Möwen griffen nur an, wenn sie ihre Brut bedroht sähen – was dann schmerzhaft werden könne.