Das Königreich Ungarn gehörte zu den großen Verlierern des Ersten Weltkrieges: Durch das Friedensdiktat von Trianon mußte es etwa siebzig Prozent seines Territoriums abgeben. Das machte Ungarn zum natürlichen Verbündeten der Nationalsozialisten, die eine Revision der Ergebnisse des Ersten Weltkriegs anstrebten. Und das Dritte Reich fällte dann tatsächlich 1938 und 1940 im Verein mit Italien zwei Schiedssprüche, welche die ungarischen Gebietsansprüche gegenüber der Tschechoslowakei und Rumänien weitgehend befriedigten. Im Gegenzug trat Ungarn am 20. November 1940 dem Dreimächtepakt zwischen Deutschland, Italien und Japan bei und beteiligte sich im April 1941 am Balkanfeldzug gegen Jugoslawien und Griechenland, was zu erneuten territorialen Gewinnen führte. Hingegen hatte der ungarische Reichsverweser Miklós Horthy von Nagybánya, der als faktisches Staatsoberhaupt der „Monarchie ohne König“ fungierte, zunächst nicht die Absicht, ungarische Soldaten an der Seite der Wehrmacht in die UdSSR zu schicken. Budapest erklärte Moskau erst nach dem sowjetischen Bombenangriff auf Kaschau (Kassa) vom 26. Juni 1941 den Krieg.
„Zweites Italien“ auf dem Balkan mußte unbedingt verhindert werden
Anschließend kämpften das I. Korps und die Karpatengruppe der Königlich Ungarischen Armee gegen die Truppen Stalins oder übernahmen Besatzungsaufgaben im Hinterland, wozu auch die Partisanenbekämpfung gehörte. Nach dem Debakel von Stalingrad und dem Scheitern des deutsch-italienischen Afrikafeldzuges sank die ungarische Bereitschaft, Hitlers Kriegsführung weiterhin zu unterstützen, dann freilich rapide. Nun versuchten Horthy und sein Premierminister Miklós Kállay von Nagykálló in Geheimverhandlungen mit den Westmächten, einen Separatfrieden herbeizuführen. Dies blieb der deutschen Seite nicht verborgen und führte ebenso zur Verärgerung wie der Wunsch nach dem Abzug der ungarischen Kampf- und Besatzungsverbände.
Dazu kam die Weigerung Horthys, schärfer gegen die jüdische Bevölkerung in seinem Lande vorzugehen: „Erschlagen könne er die Juden schließlich nicht“, sagte der ehemalige Vizeadmiral und letzte Befehlshaber der k.u.k. Kriegsmarine laut einem überlieferten Gesprächsprotokoll vom 16. April 1943 zu Hitler.
Allerdings unternahm dieser zunächst nichts. Das änderte sich erst nach dem Waffenstillstand von Cassibile zwischen Italien und den Westalliierten vom September 1943, der zum Bruch der Achse Berlin-Rom führte: Ein „zweites Italien“ auf dem Balkan mußte unbedingt verhindert werden. Also erhielt der Führungsstab im Oberkommando der Wehrmacht die Weisung, umgehend einen Operationsplan namens „Margarethe“ zur Besetzung Ungarns beziehungsweise Verhinderung des Abfalls dieses Verbündeten auszuarbeiten. Auf dessen Umsetzung drängte besonders der Gesandte Edmund Veesenmayer, welcher im Auftrag von Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop die Lage in Ungarn sondierte und im Dezember 1943 an seinen Vorgesetzten schrieb, das Reich dürfe „ein solches Zentrum der Sabotage“ nicht länger „unberührt“ lassen.
Trotzdem dauerte es noch bis zum 28. Februar, ehe Hitler die Durchführung des Unternehmens „Margarethe“ befahl. Auslöser war dabei das Zurückweichen der ungarischen Truppen an der Ostfront vor der anstürmenden Roten Armee. Der ursprüngliche Plan sah vor, daß Wehrmachtsverbände während einer Schein-Truppenverlegung über ungarisches Gebiet die wichtigsten Zentren des Landes besetzen. Dann freilich beschloß Hitler, Horthy zu einem Treffen auf Schloß Kleßheim bei Salzburg einzuladen und dem Reichsverweser dort die ausdrückliche Zustimmung zu einer Stationierung deutscher Truppen und einem Regierungswechsel in Budapest abzupressen.
Das sehr turbulent verlaufende Gespräch fand am 18. März 1944 fand. In der darauffolgenden Nacht rückten das XXII. Gebirgs-Armeekorps, das LXIX. Armeekorps, das LVIII. Reserve-Panzerkorps und das LXXVIII. Armeekorps z.b.V. mit insgesamt acht Divisionen unter dem Oberbefehl von Generalfeldmarschall Maximilian von und zu Weichs an der Glonn aus den Räumen Belgrad, Zagreb, Wien und Krakau kommend in Ungarn ein, wogegen es nur leichten punktuellen Widerstand gab.
Anschließend übernahm Deutschland die faktische Kontrolle über Ungarn, obzwar Horthy formell im Amt blieb und am 22. März 1944 Döme Sztójay zum neuen Regierungschef ernannte. Denn die wahre Macht im Lande hatten der Bevollmächtigte des Großdeutschen Reichs in Budapest, Veesenmayer, der Bevollmächtigte General der Wehrmacht in Ungarn, General der Infanterie Hans von Greiffenberg, sowie der Höhere SS- und Polizeiführer Ungarn, SS-Gruppenführer Otto Winkelmann. Dem letzteren oblag dann auch die Aufsicht über die Deportation der ungarischen Juden in die Vernichtungslager. Organisiert wurde diese von dem 150 Mann starken Sondereinsatzkommando Eichmann, das wiederum von der ungarischen Gendarmerie Unterstützung erhielt. Im Zuge der „Ungarn-Aktion“ starben etwa 565.000 Juden.
Dennoch kämpften Ungarn bis zum Mai 1945 auf deutscher Seite
Zum endgültigen Bruch zwischen Hitler und Horthy kam es jedoch nicht deswegen, sondern weil der Reichsverweser im Herbst 1944 einen Waffenstillstand mit der Sowjetunion anstrebte, deren Streitkräfte bereits bis nach Ungarn vorgedrungen waren. Zu diesem Zweck ersetzte er Premierminister Sztójay durch Generaloberst Géza Lakatos von Csíkszentsimon. Da die deutsche Seite davon ausging, daß Horthys jüngerer Sohn Miklós die treibende Kraft hinter den Waffenstillstandsverhandlungen war, startete sie am 15. Oktober 1944 das Kommandounternehmen „Panzerfaust“. In dessen Verlauf besetzten Angehörige des SS-Fallschirmjägerbataillons 600 unter dem Befehl von Sturmbannführer Otto Skorzeny die wichtigsten Regierungsgebäude in Budapest und verschleppten Horthy junior in das KZ Mauthausen. Daraufhin sah sich der ebenfalls unter Arrest stehende Reichsverweser genötigt, zugunsten des Chefs der faschistischen Pfeilkreuzler-Partei Ferenc Szálasi abzudanken, woraufhin dieser den Titel „Führer der Nation“ annahm.
Infolge der Machtübernahme Szálasis kämpfte der größte Teil der ungarischen Armee bis Kriegsende an der Seite der Wehrmacht, auch während der blutigen Kämpfe bei der Schlacht um Budapest im Herbst 1944. Die letzten Gefechte auf ungarischem Gebiet fanden am 4. April 1945 statt, einige ungarische Truppenteile operierten aber sogar noch Anfang Mai 1945 in Bayern und Österreich. Dabei hatte die im sowjetisch besetzten Debrecen beheimatete Gegenregierung der Ungarischen Nationalen Unabhängigkeitsfront unter Béla Miklós von Dálnok dem Dritten Reich bereits am 31. Dezember 1944 den Krieg erklärt. Dieser Kurswechsel in letzter Minute bewahrte Ungarn allerdings nicht vor erneuten Gebietsverlusten zugunsten der Tschechoslowakei und Rumäniens.
Foto: Generaloberst Károly Beregfy mit Pfeilkreuzlern nach deren Umsturz im Oktober 1944: Die wahre Macht hatten die Deutschen