© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 12/24 / 15. März 2024

GegenAufklärung
Kolumne von Karlheinz Weissmann

Es ist bezeichnend, daß die Mehrheit der grünen Wähler- und Anhängerschaft die Taurus-Lieferung an die Ukraine fordert, während sie von der Verteidigung des Vaterlandes nichts wissen will.

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„Wir nennen zwei Gründe, die uns vorsichtig machen. Der eine richtet sich auf die Staatsform. Kaufmannskulturen, auch sehr blühende, sind immer Intervalle gewesen zwischen Mächten, die sich einer höheren politischen Potestas anvertrauten. Der andere Einwand gilt dem Begriff des Menschen. Der ökonomische Mensch, der nur hervorbringen und verbrauchen will, ist eine Einseitigkeit. Er deutet eine Verarmung an. Wir haben ihn auf Einordnung gepreßt und versuchen, ihn gleichzeitig mit Reizen zu entfesseln. Zwischen vorsichtigen Schocks und seinen Süchten hin und her pendelnd, zeigt er das Defizit des modernen Menschen an und öffnet vor uns die Frage nach dem Rest. (…) Es kann nicht die Bestimmung des Menschen sein, nur als Instrument der banalsten Gesetze von Absatz und Produktion zu existieren. Es darf auch nicht sein.“ (Eberhard Schulz, 1968)

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Die Angriffe auf das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit haben immerhin dazu geführt, daß hier oder da Flankenschutz gewährt wird. Das aber in einer Weise, die zeigt, wie wenig Verständnis es für das Ausmaß der Bedrohung jenes Gutes gibt, dessen Schutz die Organisation zu ihrer Sache gemacht hat. Denn es kann nicht um die Frage gehen, ob dieses oder jenes Mitglied des Netzwerks wirklich oder vermeintlich neurechte/rechtsradikale/extrem rechte/rechtsextreme oder anderweitig problematische Anschauungen vertritt, solange seine Kritiker es für ganz selbstverständlich halten, daß ihre privilegierten universitären Positionen einhergehen dürfen mit altlinken/linksradikalen/extrem linken/linksextremen oder anderweitig problematischen Anschauungen wie etwa Feminismus, Postkolonialismus, Antirassismus, Antifaschismus oder ähnlichem.

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Angesichts der Verankerung des Rechts auf Abtreibung in der französischen Verfassung (dem auch Madame Le Pen meinte ihre Zustimmung geben zu müssen) bleibt nur ein Hinweis auf das Diktum Benedikts XVI., der die „Anti-Kultur des Todes“ für „das tiefste Problem unserer Zeit“ hielt.

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Am 21. Februar hat der französische Staatspräsident die sterblichen Reste Missak Manouchians in den Pariser Panthéon überführen lassen, womit der Tote fürderhin zu den „Unsterblichen“ der Republik zählt. Die Ehre wurde einem aus Armenien geflohenen Juden zuteil, den die deutsche Besatzungsmacht am selben Tag vor achtzig Jahre hingerichtet hat. Das Urteil erging aufgrund der Anschläge, die Manouchian als Führer einer vor allem aus anderen Juden und Einwanderern bestehenden Gruppe der Francs-Tireurs et Partisans – „Freischärler und Partisanen“ durchführen ließ. Den Auftrag dazu hatte er als Kader der Kommunistischen Internationale übernommen, nachdem das Angriffsbündnis zwischen Hitler und Stalin zerbrochen und die Wehrmacht in der Sowjetunion einmarschiert war. Seit dem Sommer 1941 suchte Moskau durch verstärkten Einsatz in der Résistance das Zusammenspiel mit Berlin vergessen zu machen und gleichzeitig den nichtkommunistischen Gruppen des Widerstands wie den Alliierten die eigene militärische Bedeutung nachzu weisen. Gleichzeitig nutzte man die landfremden Genossen bevorzugt, wenn es um Anschläge ging, die – aufgrund der erwartbaren Repressalien der Besatzungsmacht – Unmut in der Zivilbevölkerung auslösen konnten. Manouchians Gruppe wurde relativ rasch zerschlagen, er selbst geriet durch Verrat in Gefangenschaft. Selbstverständlich war von alldem nichts zu hören, als es um die Begründung für den Einzug in den Panthéon ging. Da erklärte Macron –neuerdings sehr bedacht, die äußerste Linke bei Laune zu halten –, daß Manouchian bewegt haben soll, was angeblich seit je der Kern kommunistischer Humanität war: „Weil sie Kommunisten sind, kennen sie nichts anderes als die menschliche Brüderlichkeit, Kinder der Französischen Revolution, Späher der universellen Revolution“.

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Der Anschlag auf die Stromversorgung des Tesla-Werks in Grünheide (Brandenburg) ist keine Überraschung, sondern die logische Konsequenz aus der Art und Weise, in der man bisher auf jeden illegalen Vorstoß reagiert hat, der den Schutz der Umwelt, die Rettung des Klimas oder gleich des Planeten für sich in Anspruch nahm. Vom Beifall des Mainstream für jedes noch so bizarre oder riskante Vorgehen über das kommandierte Wegsehen der Verwaltung, wenn die Schule geschwänzt wurde, um am Aufmarsch von „Fridays for Future“ teilzunehmen, bis zum Verständnis von Richtern für groben Unfug, Hausfriedensbruch und Straßenblockaden hat sich eine Entwicklung vollzogen, die mit innerer Notwendigkeit zu Anschlägen führte, weil den Akteuren allseits Idealismus oder doch guter Wille attestiert wurde. Und da wir nun bei der „Gewalt gegen Sachen“ angekommen sind, findet sich bestimmt auch jemand, der meint, es sei an der Zeit, noch einen Schritt weiter zu gehen und sich mit der „Gewalt gegen Personen“ zu befassen.

Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 29. März in der JF-Ausgabe 14/24.