Es ist ein Kampf der Systeme. Chinesische Elektroautos gegen die konventionelle europäische Verbrennerindustrie. Die althergebrachten und 100 Jahre ausentwickelten Benziner und Dieselfahrzeuge mit ihren großen Reichweiten gegen die neuen elektrischen Stadtflitzer aus Ostasien – und den Opportunisten Tesla.
China war dabei nicht untätig, die Wünsche und Vorstellungen der potentiellen Konsumenten in Europa vorzuformen. Das Feld zu beackern, bevor man es bestellt. Der Wunsch der Europäer, den CO2-Ausstoß massiv zu senken, kommt dabei zupaß. Schließlich ließen sich E-Autos gänzlich ohne Kohlendioxidausstoß betreiben, wenn sie mit Sonnen- oder Windstrom „getankt“ werden. Als Bonus gibt es in jedem Fall keine lästigen Abgase in der Stadt.
Elekroautos starten mit schwerem „klimapolitischen“ Rucksack
Ein riesiger Markt ist da, den der chinesische Konzern BYD dominiert. Der meistverkaufte Hybrid BYD Song wurde im Vorjahr 627.731mal an den Kunden gebracht – jedes zehnte der über 6,3 Millionen E-Autos im „Reich der Mitte“ war ein Song. Knapp jedes fünfte der 26 Millionen neuverkauften Autos in China war damit zumindest teilelektrisch.
In Gesamteuropa wurden 2023 rund zwei Millionen E-Autos und 3,4 Millionen Hybrid-Modelle zugelassen. Denen steht noch eine Übermacht an 4,6 Millionen Benzinern und 1,5 Millionen Dieseln gegenüber. Marktführer in Europa bleibt 2023 der Volkswagen-Konzern, der mit rund 2,75 Millionen verkauften Autos auf einen Marktanteil von 26,1 Prozent kommt. Chinas oft billigere und aus Peking hochsubventionierte E-Autos drängen nun auf den europäischen Markt.
Zusätzlich macht den Platzhirschen noch die Brüsseler Kommission Auflagen, die E-Autos gegen Verbrenner stark bevorteilen. Die Front für das geplante Verbrenner-Aus ab 2035 beginnt zu bröckeln, da in der EU Zweifel aufkommen, ob der Elektroantrieb tatsächlich die alleinige Lösung für das Klimaproblem darstellt. Was würde das für Autofahrer bedeuten?
Wann wird Autofahren also vollelektrisch und „grün“? Dieser Frage geht eine aktuelle Ökobilanz-Studie des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) nach, der sich dafür die verschiedenen Antriebsarten angeschaut hat. Die VDI-Analyse hat dabei den Umwelteinfluß von verschiedenen Pkw-Antriebskonzepten am Beispiel von Kompaktklassefahrzeugen im Jahr 2021 verglichen. Elektro-Antriebe, Hybridantriebe in unterschiedlichen Ausgestaltungsformen und rein verbrennungsmotorische Konzepte wurden analysiert und verglichen. Der Treibhausgas-Emissionsvergleich erfolgte unter Berücksichtigung der Fahrzeugproduktion und der Nutzung der Fahrzeuge bis zum Jahr 2035 mit einer Referenzlaufzeit von 200.000 Kilometer sowie der entsprechenden Netto-Stromerzeugung in diesem Zeitraum.
Hier zeigt sich: E-Autos dieser Fahrzeugklasse sind ab einer Laufleistung von 90.000 Kilometern klimafreundlicher als solche mit konventionellen Antrieben. In der Langzeitbetrachtung, die die VDI-Ingenieure in Zusammenarbeit mit dem Karlsruhe Institute of Technology (KIT) durchgeführt haben, schneiden bei einer Fahrzeug-Laufleistung von 200.000 Kilometern E-Auto und Hybrid-Fahrzeuge in ihrer Klimabilanz am besten ab, gefolgt von Diesel- und Benziner-PKW, die mit fossilen Kraftstoffen betankt werden.
Dabei starten die E-Autos mit einem „klimapolitischen“ Rucksack, wie es die Autoren bezeichnen. Denn die Herstellung der Batterie ist bislang mit einem hohen Treibhausgas-Ausstoß verbunden. Rund die Hälfte der CO2-Emissionen entfällt bei der Herstellung des E-Mobils demnach auf den Antrieb. Die Rohstoff-Gewinnung für die Batterie sei sehr intensiv, betont der VDI in seiner Studie und belegt dies mit Zahlen.
Die freigesetzten Treibhausgase beim Bau eines Elektroautos mit einer Akkukapazität von 82 kWh entsprechen demnach 10,12 Tonnen CO2. Bei einem Verbrenner mit Benzin sind es lediglich 1,12 Tonnen CO2. „Um die Treibhausgas-Emissionen, die bei der Batterieproduktion entstehen, so gering wie möglich zu halten, muß die Batterieproduktion für E-Fahrzeuge mit regenerativer Energie erfolgen“, folgern die Autoren daraus. Der Strommix Chinas ist aber mit über 531 Gramm pro Kilowattstunde stärker CO2 belastet als der Deutschlands mit 434 Gramm pro Kilowattstunde.
Die Antriebsherstellung für Elektroautos müsse zwingend mit regenerativer elektrischer Energie erfolgen, um Emissionen bei der Produktion gering zu halten. Die Studie zeige zudem, daß die THG-Emissionen von batterieelektrischen Fahrzeugen entscheidend durch die Produktion der Batterien bestimmt werde, wobei es nicht nur auf die Größe der Batterie, sondern auch auf den Herstellungsort ankomme.
Während in China noch häufig fossile Energieträger beim Bau der Batterie verwendet würden, sei der Anteil regenerativer Energien in Europa höher. „Dort, wo vor allem regenerative Energien genutzt werden, sinken die Produktions-Emissionen der Batterien. Und dadurch kommt auch der Punkt, ab dem das elektrische Fahrzeug weniger emittiert als ein vergleichbarer Verbrenner, immer früher“, sagt Johannes Buberger, Professor für Elektrische Energieerzeugung an der Universität der Bundeswehr München.
Eine Batterieproduktion in Deutschland und europäischen Ländern mit hohem erneuerbaren Energieanteil sorge neben einer europäischen Wertschöpfung für eine bessere CO2-Bilanz der Autos, heißt es in der Studie weiter. Neben China weisen aber auch Produktionsstandorte in Europa mit einem starken fossilen Energieanteil bei der Produktion hohe THG-Emissionen auf. Um das Autofahren endgültig grün zu machen, muß demnach die Batterie-Herstellung nachhaltiger und vor allem vor Ort stattfinden.
Joachim Damasky, Vorsitzender der VDI-Gesellschaft Fahrzeug- und Verkehrstechnik fordert, daß vor allem das Recycling der Rohstoffe Lithium, Nickel und Kobalt besser werden müsse: „Hier muß noch einiges passieren in Deutschland. Um bei einer klimafreundlicheren Mobilität voranzukommen, muß man beim Ausbau der Ökoenergien und beim Aufbau einer weniger klimaschädlichen Batterieproduktion vorankommen. Erst die grüne Produktion der Batterie und ihrer Vormaterialien reduziert den ökologischen Fußabdruck und macht die E-Mobilität wirklich klimafreundlich.“
Neben den Batterie-Antrieben kommt nach Einschätzung der VDI-Autoren auch E-Fuels eine steigende Bedeutung zu. „Wir leben in einer Zeit der Transformation. In dieser sind E-Fuels ein wichtiger Technologiebaustein für eine klimaneutrale Mobilität der Zukunft“, heißt es in der Studie. Zur Erreichung der europäischen Klimaziele im Verkehrssektor sei die Nutzung von klimaneutralen Kraftstoffen für die Bestandsflotte unabdingbar. Hierfür müßten umgehend die regulatorischen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit die Industrie in eine entsprechende Skalierung der nachhaltigen Kraftstofferzeugung investieren könne.
Deutsche Autobauer kritisieren Berliner und Brüsseler Politik
Gemeint ist hier vor allem der Wasserstoff-Antrieb. Eine kürzlich veröffentlichte Prognose des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung rechnet allerdings für das Jahr 2045 mit Preisen, die den Einsatz als Kraftstoff im Straßen- und Schienenverkehr unwirtschaftlich machen. Wasserstoff galt zuvor als bester Weg zwischen Verbrennungsmotor und dem E-Auto.
Dennoch: Infolge des abrupten Endes der Förderung von Elektrofahrzeugen privater Halter im Dezember vergangenen Jahres stehe der deutsche Markt für Elektro-Pkw merklich unter Druck, so der Verband der Automobilindustrie (VDA). Diesem zufolge gingen im Februar die Neuzulassungen von Elektro-Pkw um fünf Prozent auf ein Volumen von 42.070 Einheiten zurück, trotz eines bereits schwachen Volumens im Vorjahresmonat. Im Januar dieses Jahres habe es im Vergleich mit dem Januar 2023 noch ein kräftiges Plus gegeben, das jedoch auf die Änderung bei der Förderung von E-Pkw zurückzuführen sei: Infolge der Änderung bei der Förderung von Elektro-Pkw zum Jahreswechsel 2022/2023 sei es im vierten Quartal 2022 zu vorgezogenen Neuzulassungen gekommen, so die Autobauer.
Angesichts dieser Zahlen setzte sich VDA-Geschäftsführerin Hildegard Müller in einem Interview mit dem Ostfriesischen Kurier für die Elektromobilität ein und erklärte: „Deutschland ist die europäische Herzkammer der E-Autoproduktion und zweitwichtigster E-Standort weltweit. Bei uns werden die Autos der Zukunft gebaut, und das für die ganze Welt. Und wir wollen, daß das so bleibt.“ Daß es derzeit durch geringer gewordene Nachfrage zu Schwierigkeiten komme, daran seien nicht die Hersteller schuld.
„Im zurückliegenden Jahr sind wir in vielen wichtigen Punkten nicht entscheidend weitergekommen: weder bei wettbewerbsfähigen Energiepreisen, bei einem wettbewerbsfähigen Steuersystem oder auch beim Thema Bürokratieabbau. Rohstoff- und Energiepartnerschaften wurden kaum geschlossen, bei Freihandelsabkommen geht es praktisch nicht voran“, kritisiert die VDA-Chefin. Der Handlungsbedarf sei groß, daß Deutschland und ganz Europa ein attraktiver Standort für die Automobilindustrie bleibe. „Nur fehlt es in der Politik in Berlin und Brüssel an Einigkeit, Entschlossenheit und Strategie. Und stellenweise bleibt es bei Ankündigungen statt konkreter Umsetzung“, bemängelt Müller.
Das Ziel der Bundesregierung, bis 2030 auf deutschen Straßen 15 Millionen E-Autos zu zählen, dürfte vermutlich nicht erreicht werden. Dieses Scheitern sei aber auf die Politik und nicht etwa auf die Hersteller zurückzuführen, betonte Müller und kritisierte: „Allein die deutschen Hersteller werden bis zum Jahr 2030 deutlich mehr als 15 Millionen E-Autos produzieren. In welchen Märkten sie abgesetzt und wo sie gebaut werden, hängt von den jeweiligen Rahmenbedingungen ab – und hier läuft tatsächlich in Deutschland einiges falsch.“