© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 12/24 / 15. März 2024

Soldaten statt Bürokraten
Bundeswehr: Verteidigungsminister Boris Pistorius will die Strukturen der Truppe verschlanken und Stellen im eigenen Haus streichen
Christian Vollradt

Mehr Truppe, weniger Wasserkopf. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) will den deutschen Streitkräften – und vor allem seinem eigenen Haus – eine neue Struktur verpassen. Flexibler und agiler will man werden, schneller auf die sich zuspitzende sicherheitspolitische Lage reagieren können. 

Im Auftrag von Generalinspekteur Carsten Breuer und Staatssekretär Nils Hilmer (SPD) hat eine „Projektgruppe“ unter Leitung eines Generals sowie hochrangigen Ministerialbeamten Reformvorschläge ausgearbeitet. „Keine Denkverbote“, lautete die Devise. Der gut 30seitige Bericht mit den Ergebnissen liegt nun vor, demnächst will der Minister das Ganze vorstellen. 

So ganz neu sind die Vorstöße in Sachen Bürokratieabbau und Befehlsketten-Verschlankung indes nicht. Und daß Papier geduldig ist, gilt auch im olivgrünen Bereich. Schon Pistorius’ Vorvorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und der damalige oberste Soldat Eberhard Zorn hatten Ähnliches in ihre „Eckpunkte für die Bundeswehr der Zukunft“ gegossen. Schicksal Schublade? Nun, die infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine ausgerufene „Zeitenwende“ verleiht dem Vorhaben neue Dringlichkeit. 

Im Spannungsfall wird die Wehrpflicht wieder aktiv

„Kriegstüchtig sein, um abschrecken zu können“, lautet die Devise. „Die Refokussierung auf den Kernauftrag ‘Verteidigung’ betrifft die Streitkräfte insgesamt.“ Deswegen müsse die Bundeswehr „weniger kopflastig“ werden und sich bei Planung und Führung am Ernstfall ausrichten. Bereits Ende vergangenen Jahres hieß es, rund zehn Prozent der etwa 3.000 Stellen im Verteidigungsministerium könnten gestrichen werden. Mehr als 200 Dienstposten würden dann „in den nachgeordneten Bereich der Bundeswehr verlagert“ und „abgeschichtet“ werden. 

Die Bundeswehr soll den Plänen der Projektgruppe zufolge dann aus den vier Teilstreitkräften –  Heer, Luftwaffe, Marine und Cyber- und Informationsraum – und einem „Unterstützungsbereich“ bestehen. Jede Teilstreitkraft hat wie bisher einen Inspekteur (im Rang eines Generalleutnants bzw. Vizeadmirals). Der neue Unterstützungsbereich bestünde aus der – dann nicht mehr eigenständigen – Streitkräftebasis und dem Sanitätsdienst, dem dann (anstelle des Inspekteurs) ein „Chief Medical Officer“ vorstehen soll. Das Ganze würde geführt von einem „Kommando Unterstützung“. Sollten die Pläne umgesetzt werden, würden die bislang der Streitkräftebasis unterstellten Feldjäger, die ABC-Abwehr und das Wachbataillon wieder ins Heer eingegliedert werden.

Neu wäre zudem die Zusammenlegung des Potsdamer Einsatzführungskommandos, das bisher allein für die Auslandseinsätze zuständig ist, und des Territorialen Führungskommandos zu einem gemeinsamen „Operativen Führungskommando“. Das sei nur logisch, meinen Kenner des Betriebs, da mit den Abzügen aus Afghanistan und Mali die personalintensiven Auslandseinsätze vorbei sind. Das Ganze dann einfach Generalstab zu nennen, vermeidet man mutmaßlich aus historischen Gründen. 

Doch neben Häuptlingen braucht’s angesichts der sicherheitspolitischen Zuspitzungen vor allem auch Indianer. „Um im Fall eines Verteidigungseinsatzes zügig die personelle Bedarfsdeckung sicherstellen zu können“, müssen die Strukturen „umklappfähig“ sein, so der Bericht. Das bedeutet, daß „spätestens im Zeitpunkt der Feststellung eines Spannungs- und Verteidigungsfalls, die derzeit ausgesetzte Wehrpflicht von Rechts wegen automatisch wieder aktiv wird“. Daher müsse unabhängig von der Frage, ob in Deutschland eine allgemeine  Wehr- oder Dienstpflicht schon zu Friedenszeiten eingeführt wird, der Personalbereich der Bundeswehr so ausgerichtet werden, daß im Ernstfall die dann wieder Wehrpflichtigen umgehend erfaßt und gemustert werden könnten.