© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 12/24 / 15. März 2024

Nach allen Gipfeln ist Ruh’
Asylpolitik: Bund und Länder beraten viel – danach tut sich wenig zur Verbesserung / Kommunen sind enttäuscht
Jörg Kürschner

Trotz unverändert hoher Antragszahlen treten Bund und Länder beim Thema Asyl auf der Stelle. Der Migrationsgipfel der 16 Ministerpräsidenten mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) blieb ergebnislos und war geprägt von wohlfeilen Absichtserklärungen. Im Januar wurden mehr als 26.000 Erstanträge gestellt. Deutschland habe bei der Begrenzung der illegalen Einwanderung schon einige Erfolge erzielt, meinte Scholz nach dem Treffen, aber man müsse „immer am Thema dranbleiben“ und dürfe nicht „die Hände in den Schoß legen“. Parteifreund Stephan Weil, Regierungschef von Niedersachsen, räumte nach der Sitzung ein, es habe „keine absolut konkreten Ergebnisse“ gegeben. Mit einem raschen Rückgang der Asylanträge rechnet die Runde nicht. 

So geriet die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) eher zu einer mageren Bestandsaufnahme der drei bisherigen Migrations-Beratungen im vergangenen Jahr. Bereits im November war die Einführung einer Bezahlkarte für Flüchtlinge beschlossen worden, um Überweisungen ins Ausland oder an Schleuser zu verhindern. Doch es hakt, auch weil die Grünen im Bundestag Bedenken angemeldet haben. Hessens Ministerpräsident und MPK-Chef Boris Rhein (CDU) sprach von der „großen Hoffnung“, daß der Starttermin für die Bezahlkarte beim nächsten Treffen am 20. Juni feststehe. 

Immer wieder fiel die Redewendung „auf den Weg gebracht“, die stets deutlich macht, daß eine Umsetzung von Vorhaben auf sich warten läßt. Etwa die Prüfung, ob Asylverfahren in Länder außerhalb der EU ausgelagert werden können. Außer einer Expertenkonferenz auf Fachebene im Bundesinnenministerium ist bisher nichts geschehen. Die Frage ist, ob eine Drittstaatenlösung mit internationalem Recht vereinbar ist. Italien hatte kürzlich in einer Absichtserklärung mit Albanien Aufnahmezentren für Migranten vereinbart, die im Mittelmeer aufgegriffen wurden. In Berlin habe man „den Ernst der Lage offensichtlich nicht erkannt“, die Umsetzung der Einigungen scheitere „an der Untätigkeit dieser Bundesregierung“, kritisierte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst und setzte einen Kontrapunkt zu den optimistischen Einschätzungen seines Parteifreundes Rhein. „Leider nichts Neues“, resümierte auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Arbeitspflicht für Asylbewerber, wie sie einige Kommunen eingeführt hatten? Kein Thema für die gut gelaunte Herrenrunde auf der Pressekonferenz. 

Immerhin werden Sozialleistungen gesenkt

Als politischer Rohrkrepierer erwies sich der Vorschlag von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) nach einer Obergrenze von jährlich höchstens 60.000 Flüchtlingen. Grund sei die hohe Auslastung der Kommunen. Die CDU-Kollegen griffen den Vorstoß nicht auf, Weil schützte eine Grundgesetzänderung vor, um den Vorstoß zu beerdigen. Auf der Habenseite stehen eine Erleichterung von Abschiebungen sowie verstärkte Grenzkontrollen. Abgelehnte Asylbewerber können jetzt 28 statt zehn Tage inhaftiert werden. Abschiebungen müssen nur noch angekündigt werden, wenn es sich um Familien mit Kindern unter 12 Jahren handelt. Und tatsächlich: Behördenvertreter dürfen auch andere Räume als das Zimmer des Abzuschiebenden betreten. Auf Druck der Grünen haben die Migranten allerdings Anspruch auf einen Pflichtverteidiger, der die Abschiebung verzögern und letztlich unmöglich machen könnte. Die Ampel-Koalition schätzt, daß die Zahl der Abschiebungen nur um 600 Personen steigt. Ein Tropfen auf den heißen Stein. Immerhin wurden die Sozialleistungen gesenkt. Asylbewerber erhalten statt bisher 18 bis zu 36 Monate Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Das sind 103 Euro weniger als das dann folgende Bürgergeld. 

Seit Mitte Oktober gibt es an den Grenzen zu Tschechien, Polen und der Schweiz stationäre Kontrollen; nach langem Zögern von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Andererseits dürfen Asylbewerber an der Grenze nicht abgewiesen werden, so daß auch hier der Erfolg gering ist. Und einen teilweisen Vollzug kann die Ampel bei der Einstufung von sicheren Herkunftsstaaten melden. Nach langem Streit gehören jetzt Georgien und Moldau dazu. Bei Asylbewerbern können die Behörden jetzt davon ausgehen, daß deren Anträge „offensichtlich unbegründet“ sind. So kann schneller abgeschoben werden. Faeser will mehr als tausend Vollzeitstellen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) schaffen, Hessen hat die Zuständigkeit für Asylverfahren auf einzelne Gerichte konzentriert. Und der Sonderbevollmächtigte der Bundesregierung, Joachim Stamp (FDP), forderte, Asylbewerber ohne Bleiberecht müßten schneller abgeschoben werden. Doch Rückführungsabkommen mit Ländern wie Syrien oder Afghanistan? Fehlanzeige.  

Die Kommunen äußerten sich enttäuscht über den Gipfel. „Kein wirklicher Fortschritt“, so der Deutsche Landkreistag, „Unzureichend“, kritisierte der Deutsche Städte- und Gemeindebund. Die AfD sah sich in ihren schlimmsten Erwartungen bestätigt. „Der neuerliche Migrationsgipfel zeigt, daß Bund und Länder endgültig dazu übergegangen sind, die Migrationskrise zu verwalten, statt sie zu lösen“, monierte Co-Parteichefin Alice Weidel. Es gehe nicht um einen „Kontrollverlust, sondern um einen Kontrollverzicht“.  Kommentar Seite 2