Der großen Ankündigung „Youtube-Star will in die Politik“ (Focus) folgte große Ernüchterung „Doch keine neue Partei? Mai Thi täuscht alle“ (Watson). Etliche große Medien, selbst im Ausland, sind darauf hereingefallen: „Deutschlands bekannteste Wissenschafts-Youtuberin“ (Stern) MaiLab, bürgerlich Mai Thi Nguyen-Kim, hatte unlängst auf ihrem Kanal politische Andeutungen gemacht. Nun aber löste die 1987 in Heppenheim geborene vietnamesischstämmige Chemikerin die Sensation als soziales Experiment auf: Ihr Geraune war kein Politik-Präludium, sondern soll aufzeigen, wie Populismus funktioniert.
Vor allem aber zeigt es (unfreiwillig), was es mit Deutschlands wohl beliebtester Wissenschaftsjournalistin – die außer TV-Moderatorin und Influencerin auch noch Bestsellerautorin, zweifache Mutter und Weltmeisterin im Formationssteptanz ist – auf sich hat: Ihre Enthüllung bettete sie in ihre Show „MaiThink X“ ein, die seit 2021 auf ZDFNeo läuft, zudem lud sie die Folge auf ihrem Youtube-Kanal hoch, der bis 2023 zum ebenfalls öffentlich-rechtlichen Jugendportal Funk gehörte: „Mit besonders steilen Thesen“, eröffnete sie das Thema vielversprechend, „kann man andere wichtige Themen aus dem öffentlichen Diskurs drängen, denn durch Empörung werden Narrative rauf und runter diskutiert und so ins öffentliche Bewußtsein einmassiert.“ Huch! Eine präzise Medienanalyse in Sachen „Wannseekonferenz 2.0“ im ZDF?
MaiLab holt jene ab, denen der Haltungsjournalismus zu viel ist – führt sie aber zum gleichen Resultat wie dieser.
Natürlich nicht. Was die wortgewandte junge Frau in ihrer Show enttarnt, sind selbstverständlich nicht Machenschaften des eigenen Hauses, sondern des „Populismus“, der bekanntlich ... „in allen politischen Lagern“ zu finden sei, überrascht MaiLab. Ah, hier waltet also streng die Objektivität der reinen Wissenschaft! Dann wird es wohl, denkt sich der so beruhigte Zuschauer, auch nicht an politischer Parteilichkeit liegen, sondern tatsächlich in der Natur des Populismus, daß dessen in den dreißig Minuten ihrer Sendung erklärte „Tricks“ fast ausschließlich an Beispielen von Friedrich Merz, Wolfgang Kubicki, Hubert Aiwanger und natürlich der AfD (sowie deren angeblichem Wählertypus) veranschaulicht werden.
Damit wäre die Methode MaiLab eigentlich schon beschrieben, die beim ZDF jene Zuschauer abholt, denen der „missionarische Eifer ... der uns aus allen Poren“ tropft (SWR-Intendant Kai Gniffke), zu viel ist: Doch zwar umflort das akademische Fräuleinwunder – Doktorin der Naturwissenschaft, Mitglied des Senats der ehrwürdigen Max-Planck-Gesellschaft, Studienaufenthalte an den US-Eliteschmieden Harvard und MIT – der hehre Nimbus wissenschaftlicher Unvoreingenommenheit, doch am Ende steht meist das gleiche Resultat wie bei ihren Kollegen Haltungsjournalisten.
Und doch ist da ein Unterschied: Wo letztere Fakten umlügen, hält MaiLab sich an diese – und politisiert erst ihre Interpretation. Beispiel „Wie viele Geschlechter gibt es?“: „Biologisch zwei“ („drei mit Intersexuellen“), resümiert sie schon nach wenigen Minuten – um sich im überwiegenden Rest des Videos Genderfragen zu widmen. Für unbedarfte Zuschauer ab 14 (Funk-Zielgruppe) bleiben da natürlich, wie schon beim Populismus, kaum die dürren Fakten, als vielmehr das viele subjektive Drumherum haften – das, wenn vielleicht auch ungewollt, MaiLabs Image mit scheinbarer Wissenschaftlichkeit adelt.