Es ist nicht das erste mal, daß sie zugeschlagen hat: Die linksextremistische „Vulkangruppe“, die am 5. März mit dem Attentat auf die Stromversorgung der Tesla-Fabrik im brandenburgischen Grünheide einen Milliardenschaden verursacht hat, verübt bereits seit Jahren Sabotageanschläge auf Kabelschächte, Datenleitungen und die Stromversorgung. Ziel sei es, so lassen die Gewalttäter wissen, die Funktionsweise des kapitalistischen Alltags zu durchbrechen.
Fast zeitgleich mit der Attacke gelang die Festnahme der ehemaligen RAF-Kämpferin Daniela Klette, die unter anderem für den Bombenanschlag auf die Haftanstalt im hessischen Weiterstadt 1993, Schaden 63 Millionen D-Mark, mitverantwortlich sein soll: Die Ex-Terroristin, wie auch ihre weiteren auf der Flucht befindlichen Kumpane Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub, konnten in Deutschland über dreißig Jahre unerkannt leben.
Doch anders als bei den Attentaten der RAF spricht beim Anschlag auf Tesla kaum jemand von Terrorismus. Innenministerin Faeser nannte ihn lediglich einen „schweren Eingriff in unsere Energieinfrastruktur“ – eine Verniedlichung, wenn man die mutmaßliche Schadenshöhe im laut Werksleitung „hohen neunstelligen Bereich“ und die Auswirkungen auf die betroffenen Bürger bedenkt. Im Unterschied zu den RAF-Anschlägen gab es aber keine Sondersendungen, keine Sondersitzungen des Bundestages und keine fortlaufende mediale Alarmierung der Bevölkerung. Medien und Politik sind schnell wieder zur Tagesordnung übergegangen. Doch warum wird ein solcher Anschlag bagatellisiert?
Daß die Vulkangruppe nicht als Terrororganisation und ihre Angriffe nicht als Terroranschläge bezeichnet werden, liegt auch daran, daß 2002 unter der Regierung Gerhard Schröders (SPD) Paragraph 129a des Strafgesetzbuchs geändert wurde und Sabotageakte seitdem nur noch im Ausnahmefall als Terrorismus gelten. Denn um linke Militanz zu entkriminalisieren, setzt man die Voraussetzungen für die Bewertung eines gegen Sachen, nicht aber direkt gegen Menschen gerichteten Anschlags wesentlich höher an: Die Tat muß dazu bestimmt sein, die politischen oder wirtschaftlichen Grundstrukturen des Staates erheblich zu beeinträchtigen und der Staat – und nicht ein Unternehmen – erheblich geschädigt werden. Doch werden diese Voraussetzungen bei linksextremen Anschlägen regelmäßig nicht erfüllt.
Diese von Rot-Grün durchgesetzte Strafrechtsänderung muß in Zusammenhang mit der strategischen Neuausrichtung des deutschen Linksterrorismus gesehen werden: Eine Lehre aus den Fehlern der RAF war, spektakuläre Entführungen und Morde seitens der Linksextremisten als ungeeignet zu erkennen, da sie zur Solidarisierung der Gesellschaft gegen die linke Ideologie führten. Man beschloß, grundsätzlich auf Mord und Geiselnahme zu verzichten und stattdessen auf Sabotage, Sachbeschädigung, Nötigung und Körperverletzung zu setzen. Die Strafrechtsänderung von 2002 flankierte, ja honorierte diesen Strategiewechsel damit, die erfaßten Anschlagsformen grundsätzlich nicht mehr als Terrorismus einzustufen. Eine Folge ist, daß die Post und Telekommunikation Verdächtiger nicht mehr überwacht werden darf.
Eine weitere Lehre, die der militante Linksextremismus zog, ist die Anonymität der Täter. Während RAF-Terroristen öffentlich mit Namen und Fotos per Steckbrief gesucht wurden, sind Identität und Aussehen der Vulkangruppe und anderer linksextremistischen Organisationen wie dem militanten Teil der Antifa der Öffentlichkeit nicht bekannt – welcher Bürger weiß schon, wer sich hinter der Vulkangruppe verbirgt oder wie die Kader der Antifa heißen? Doch dient diese Anonymität nicht nur dem Schutz der Kämpfer, sie hat auch eine psychologische Wirkung: denn Namen und Gesichter der Täter helfen, ein Feindbild zu schaffen, das eine Solidarisierung gegen diese in Politik und Bevölkerung befördert.
Dank dieses Strategiewechsels ist es dem militanten Linksextremismus gelungen, sich ein positives mediales und politisches Umfeld zu erarbeiten: Da es keine Morde im RAF-Stil mehr gibt, der Begriff Terrorismus für die neue Art politischer Verbrechen offiziell nicht mehr verwendet werden kann, ist es möglich geworden, ein gewisses Wohlwollen, ja Sympathie für diese Art von „Aktionismus“ in einem Teil der Medien und Politik zu erreichen.
Der heutige, so also nicht mehr genannte Terrorismus, ist klüger geworden. Daniela Klette ist gleichsam die aus der Mode gekommene Großmutter des heutigen Linksterrorismus. Sie hat mit ihrer Generation viele Fehler begangen, deren Lehren die heutige Enkel-Generation der Terroristen begriffen hat. Verständlich, daß in Berlin Hunderte Angehörige der linksextremistischen Szene aus Solidarität und „Dankbarkeit“ für die Terror-Oma demonstrieren.
Anders als zur Zeit Klettes sind der militante Linksextremismus und der Linksterrorismus heute bei erheblichen Teilen der politischen Linken akzeptiert. Dies gilt zum Beispiel für Extinction Rebellion, die „Hammerbande“ oder radikale Antifagliederungen, ebenso wie für die „Vulkangruppe“. Im Zusammenhang mit den massiven Ausschreitungen beim G20-Gipfel in Hamburg 2017 prägten die Linksextremisten die Losung, daß man diejenigen, die die gleichen Ziele verfolgen, nicht wegen unterschiedlicher Methoden kritisiert. Der „Erfolg“ der Gewalt gegen den G20-Gipfel gab ihnen recht.
Was aber ist das gemeinsame Ziel? Es ist die Überwindung der bürgerlichen freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der Aufbau einer totalitären sozialistischen Regierungsform. Der gewaltbereite und der terroristische Linksextremismus nehmen dabei bestimmte Aufgaben wahr, wie etwa die Politik unter Druck zu setzen oder politische Gegner einzuschüchtern, was für den weiteren Vormarsch der linksextremen Bewegung unabdingbar ist. Und der lange Marsch durch die Institutionen, der Linksradikale und Linksextremisten bis in Regierungspositionen gebracht hat, führte nun dazu, daß es eine zunehmende Verklammerung aller von Linken dominierten gesellschaftlichen Bereiche gibt, bis hin zur offenen oder verdeckten Kooperation mit ihrer militanten Szene.