© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 11/24 / 08 März 2024

Der Vertrag von Rapallo und die Suche nach einer Friedensordnung
Keineswegs verhängnisvoll

Im Frühjahr 2022, zum 100. Jahrestag des deutsch-russischen Vertrags von Rapallo, verzichtete kein deutsches „Leitmedium“ darauf, den Bogen zum eben begonnenen „Aggressionskrieg“ Wladimir Putins gegen die Ukraine zu schlagen – „Schreckgespenst der Geschichte“ (SZ) oder „verhängnisvolles Abkommen“ (Die Zeit) . Unter den Tisch fiel, woran nun der Historiker Jan Eckel (Freiburg) erinnert (Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, 11/12-2023). Erstens war die in Rapallo geregelte Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der bürgerlichen Republik von Weimar und dem bolschewistischen Sowjetregime nur ein Element der Suche nach einer neuen europäischen Staatenordnung. Denn die Pariser Friedensdiktate des damaligen „Wertewestens“ reichten vor allem den auf Revision pochenden angloamerikanischen Siegern nicht aus, um die politische und ökonomische Stabilität des alten Kontinents zu garantieren. Zweitens drücke sich im Rapallo-Vertrag und in der zugleich vereinbarten geheimen Militärkooperation zwischen Reichswehr und Roter Armee der ungebrochene Wille beider Kriegsverlierer aus, in den Kreis der Großmächte zurückzukehren. Das schloß das vom Reichswehrchef Hans von Seeckt formulierte, von demokratischen Politikern wie Reichskanzler Joseph Wirth akzeptierte Nahziel ein: „Polen muß erledigt werden“. (ob)  www.friedrich-verlag.de