Christentum und Ökologie“ lautet das Schwerpunktthema der aktuellen Ausgabe (Heft 16, Winter 2023/24) der vierteljährlich erscheinenden Zeitschrift für Naturschutz Die Kehre. Und in der Tat ist es ein gewagter Versuch, sich „unvoreingenommen durch dieses Minenfeld zu manövrieren und sowohl die ökologischen Seiten als auch naturzerstörerischen Impulse des Christentums zu beleuchten“, wie Chefredakteur Jonas Schick in seinem Vorwort schreibt. So ergreift auch zunächst der Historiker und Philosoph Moritz Scholtysik das Wort und bricht in seinem Beitrag „Göttliche Schöpfung und christliche Verantwortung“ eine Lanze für den christlichen Ökologismus, der aus biblischer Perspektive auf die göttliche Schöpfung verweise. Loblieder auf die Natur findet der Autor in den biblischen Psalmen, im Stundengebet der Kirche, in floralen Ornamenten und Tiermotiven der sakralen Architektur, mittelalterlicher Buchmalerei und liturgischen Gewändern bis zu Gertrud von le Fort. Der gemeinsame Grund für diese vielfältigen positiven Bezüge zur Natur in der christlichen Religion liege darin, daß alles von Gott geschaffen wurde und demzufolge in sich gut sei (Genesis 1,31).
Der oft mißverstandene Bibelvers, sich die Erde „untertan“ zu machen, sei kein Auftrag zur Ausbeutung der Schöpfung, sondern zu ihrer Wahrung und Pflege, an späterer Stelle heiße es, Gott habe den Menschen in den Garten Eden gesetzt, „damit er ihn bebaue und behüte“ (Genesis 2,15). In diesem Sinne sei die christliche Haltung nicht wachstumsfixiert, sondern ganzheitlich mit einem positiven Bezug zu Heimatliebe, Beständigkeit, Tugend der Mäßigung, Entschleunigung sowie Bereitschaft zu Opfer und Verzicht und widerspreche entschieden globaler Mobilität, totaler Technisierung sowie Gewinn- und Lustmaximierung.
Dieser Einschätzung widerspricht Alain de Benoist. Das Christentum habe die Entsakralisierung der Welt zur Folge und sehe den Menschen als einzigen Besitzer einer unsterblichen Seele an, während doch die Seele das Prinzip alles Lebendigen sei. Kirchen wurden systematisch errichtet, wo früher heidnische Kultstätten standen, ebenso seien die Namen der Wochentage von den Heiden übernommen worden. Dieses „Heidenchristentum“ sei jedoch heute zusammen mit der bäuerlichen Welt verschwunden. Für de Benoist stellen die alten Religionen des vorchristlichen Europas die Wurzeln der europäischen Kultur dar.
Weitere Beiträge befassen sich mit „Weltflucht und Säkularisierung – die christlichen Wurzeln der Naturzerstörung“ (Reinhard Falter), „Eigentum, Ökologie und Christentum“ (Bruno Wolters) und dem „Leben der Wilden Heiligen“ (Paul Kingsnorth).
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