Der Wohnungsmarkt befindet sich seit Ende 2022 in einer heftigen Korrekturphase. Während die Großstadtmieten beschleunigt ansteigen, fallen die Immobilienpreise tendenziell. Mieter, Hausbesitzer und potentielle Hauskäufer fragen sich, wie lange diese Phase noch anhält und auf welchem Niveau sich die Preise stabilisieren könnten. Gemessen am Häuserpreisindex des Statistischen Bundesamtes hat der seit 2010 ungebrochene Anstieg der Preise für Wohnimmobilien im vierten Quartal 2022 sein vorläufiges Ende gefunden. Nachdem sich die Preise für Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Eigentumswohnungen zwischen 2010 und 2022 um rund 94 Prozent verteuert hatten, sind sie bis zum dritten Quartal 2023 um zehn Prozent gefallen.
Der Preisindex für selbstgenutztes Wohneigentum des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken (vdp) zeigt ein ähnliches Bild. Der vdp-Index ist seit dem ersten Quartal 2023 rückläufig, nachdem er seit 2010 um 90 Prozent zulegen konnte. Der Rückgang gegenüber dem Gipfelpunkt im zweiten Quartal 2022 beträgt inzwischen 8,5 Prozent.
Der Grund für diese Preiswende ist die Zinswende. Bei Hypothekenzinsen von vier statt einem Prozent hat sich die Erschwinglichkeit selbstgenutzter Immobilien dramatisch verschlechtert. Dennoch haben die Preisindizes bis jetzt den allergrößten Teil ihrer Gewinne halten können. Die Preiskorrektur ist bis heute angesichts des fundamental geänderten Umfelds moderat ausgefallen. Manche Indikatoren deuten sogar auf eine allmähliche Stabilisierung der Immobilienpreise hin. Nach dem Wohnindex des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) sind die Preise für Eigentumsimmobilien im vierten Quartal 2023 sogar wieder leicht gestiegen.
Lücke zwischen Angebot und Nachfrage immer größer
Die Mieten kannten dagegen seit 2010 nur eine Richtung. Nach den Zahlen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) sind die Angebotsmieten zwischen 2010 und 2022 kontinuierlich um insgesamt 53,4 Prozent von 6,20 auf 9,51 Euro gestiegen. Seitdem hat sich der Mietenanstieg beschleunigt fortgesetzt. Nach dem IW-Wohnindex lagen die Neuvertragsmieten im vierten Quartal im Schnitt um 5,3 Prozent höher als ein Jahr zuvor, in Berlin, Leipzig, München und Köln sogar noch weit darüber. Die Mieten steigen immer weiter, weil die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage immer größer wird.
Es herrscht eine echte „Wohnungsnot“: Gemessen am CBRE-empirica-Index ist die marktaktive Leerstandsquote im Zeitraum 2006 bis 2022 von 4,1 auf 2,5 Prozent gefallen. In Großstädten liegen die Leerstandsquoten noch weit darunter (Stuttgart 0,5 Prozent, Hamburg 0,4 Prozent, Berlin 0,3 Prozent, München 0,1 Prozent). Erschwingliche Wohnungen im mittleren und unteren Preissegment sind kaum noch zu bekommen. Mittelfristig ist nicht mit rückläufigen Mieten zu rechnen. Die Bautätigkeit hält immer weniger mit der demographisch bedingten Entwicklung der Nachfrage Schritt. Die Zukunftsperspektive ist die Wohnungsnot im Quadrat.
Auf den ersten Blick scheint ein Widerspruch zwischen den fallenden Hauspreisen und der extremen Anspannung an den Vermietungsmärkten zu bestehen. Aber viele Mieter können kaum ins Wohneigentum ausweichen. Die Transaktionsmärkte sind regelrecht eingefroren. Entscheidend für die Einschätzung der Marktlage ist das Verhältnis zwischen Hauspreisen und Mieten, also die sogenannten Mietmultiplikatoren. Immobilienmarktforscher unterscheiden zwischen dem fundamentalen und dem tatsächlichen Preis-Mietverhältnis und sie leiten aus der Abweichung zwischen den beiden Größen ab, ob der Markt über- oder unterbewertet ist. Das ist dann entscheidend für ihre Einschätzung der weiteren Preisentwicklung.
Anfang 2021, als die Hypothekenzinsen bei einem Prozent lagen und noch Wertsteigerungserwartungen im Markt vorherrschten, hat der fundamentale Multiplikator für ganz Deutschland um die 40 gelegen. Inzwischen dürfte er um zwei Drittel gefallen sein, denn die Zinsen haben sich vervierfacht und auch die Wertsteigerungserwartung hat sich aufgelöst. Das tatsächliche Preis-Mietverhältnis befindet sich derzeit in einer Korrekturphase. Bei fallenden Immobilienpreisen und steigenden Mieten sinkt es in Richtung auf den Fundamentalwert. Es besteht aber immer noch eine erhebliche Anpassungslücke. Entscheidend für die weitere Entwicklung ist der Einfluß der Wertsteigerungserwartungen und der Hypothekenzinsen: Bei zwei Prozent Zinsen und zwei Prozent Wertsteigerungserwartung wäre der Markt fundamental wieder im Gleichgewicht, aber davon sind wir weit entfernt. Wenn die Immobilienpreise in den freien Fall übergehen, löst das schwere gesamtwirtschaftliche Verwerfungen, notleidende Hypothekendarlehen, hohe Abschreibungen in den Bankbilanzen und Instabilitäten an den Finanzmärkten aus.
Die Wohnungspolitik schraubt zwar an Rahmenbedingungen, aber sie hat dabei einseitig den Neubau im Fokus. Die Bestandsmärkte sind dagegen von einem extremen Rückgang des Transaktionsgeschehens geprägt: Bereits 2022 ist die Zahl der Kauffälle von Eigentumswohnungen deutschlandweit um 19 Prozent auf rund 274.800 zurückgegangen (Ein- und Zweifamilienhäuser -11 Prozent). 2023 hat es neue Rekordtiefststände bei den Kauffällen gegeben.
Marktbeobachter sprechen von „eingefrorenen“ Immobilienmärkten oder von einer „Schockstarre“. Darauf deutet auch der Einbruch bei den Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer um ein Drittel. Ursächlich dafür ist vor allem der heftige Zinsanstieg, der den Eigentumserwerb für die meisten Ersterwerber unerschwinglich gemacht hat und der bei einem Wechsel des Eigenheims einen Belastungssprung nach sich zieht. Wenn ein solcher Zustand mit minimalem Transaktionsgeschehen über längere Zeit anhält, wird die Flächenverschwendung wegen unterlassener Umzüge mit der Zeit immer größer und die Marktanspannung verschärft sich weiter.
Die deutsche Maklerprovision liegt derzeit im Schnitt bei 6,2 Prozent
Die Politik unternimmt aber nichts, um die eingefrorenen Transaktionsmärkte wieder aufzutauen, obwohl das für die Wohneigentumsbildung breiter Schichten, die Stabilität des Bankensektors und die Verbesserung der Flächeneffizienz essentiell wäre. Die Erschwinglichkeit von Bestandskäufen zur Selbstnutzung sollte politisch adressiert werden, denn Luxusneubau im Effizienzhausstandard 40 mit Nachhaltigkeitssiegel können sich trotz Förderung nur die wenigsten leisten.
Der Keil zwischen Brutto- und Nettopreisen ist viel zu groß. Die hohen Transaktionskosten müssen deutlich reduziert werden. 15 Prozent „weiche“ Erwerbsnebenkosten sind unnormal. Nicht nur der Ersterwerb angemessenen Wohneigentums sollte von der Grunderwerbsteuer befreit werden, sondern alle Bestandserwerbe zur Selbstnutzung. Die Maklerprovision liegt im Schnitt bei 6,2 Prozent. In den Niederlanden sind es 1,5 Prozent.
Wenn die Transaktionskosten sich wieder in einem vernünftigen Rahmen bewegen, kann zusätzlich der Wohneigentumserwerb von jungen Schwellenhaushalten mit wenig Eigenkapital durch staatliche Bürgschaften unterstützt werden. So ermöglicht man mehr Umzüge und sorgt für eine bessere Anpassung der individuellen Flächenversorgung an den Bedarf, und das ist auch ein Beitrag zur Linderung der Wohnungsnot.
www.pfandbrief.de/site/de/vdp/immobilie/finanzierung_und_markt/vdp-immobilienpreisindex
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