© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 11/24 / 08 März 2024

Hilferuf nach Moskau
Transnistrien: Die autonome Republik im Osten Moldawiens klagt über Anfeindungen / Bricht nun ein eingefrorener Konflikt erneut aus?
Lorenz Bien

So kann man den Gegner wohl auch in Unruhe versetzen. Oder die Lage entschärfen, je nach Blickwinkel. Wenige Tage nachdem die Regierung des in Moldawien liegenden autonomen Gebiets Transnistrien um russischen „Schutz“ gebeten hatte, hielt der russische Präsident Wladimir Putin eine Rede zur Lage der Nation – und erwähnte die Situation in Moldawien mit keinem Wort. 

Die Befürchtungen, die die Wortmeldung aus dem kleinen Landstrich im Osten der Republik Moldawien entfachte, dürften dennoch nicht so schnell verschwinden. Man werde „die russischen Aktivitäten in Transnistrien genau beobachten“, betonte der Sprecher des US-amerikanischen Außenministeriums, Matthew Miller. In einer Stellungnahme des moldawischen Büros für Reintegration, einer Behörde, die sich für die Wiedereingliederung Transnistriens verantwortlich sieht, war davon die Rede, daß man die „propagandistischen Erklärungen“ der transnistrischen Führung zurückweise. „Wir wollen die Region daran erinnern, daß sie von der Politik des Friedens, der Sicherheit und der wirtschaftlichen Anbindung an die EU profitiert und mit ihr die Bürger.“

Vorangegangen war dem Ganzen ein seltener Sonderkongreß der separatistischen Kräfte. Dort wurde Sorge angesichts von „noch nie dagewesenen Herausforderungen und Bedrohungen“ von seiten des moldawischen Staates geäußert. Unter anderem zeigten die Wirtschaftssanktionen und Blockaden gegenüber der transnistrischen Republik eine schädliche Wirkung, Nahrungsmittel in der Region seien knapp, sagte die transnistrische Führung. Im Januar hatte Moldawien neue Zollabgaben für Importe und Exporte aus Transnistrien erlassen. Angesichts der Tatsache, daß etwa 220.000 russische Staatsbürger in der autonomen Region leben, solle Moskau „Maßnahmen zum Schutz“ der Gegend umsetzen, forderten die Vertreter.

Die Anfänge dieses Konflikts liegen in der Zeit des Zusammenbruchs der Sowjetunion – und damit auch der Moldauischen Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik. Bereits zuvor hatte Gorbatschows Politik von Perestroika und Glasnost den einzelnen Republiken mehr Unabhängigkeit zugestanden, was sich im Falle Moldawiens auch dadurch niederschlug, daß sich das kulturell eher rumänisch geprägte Land diesem Erbe wieder verstärkt zuwandte. 

So wurde 1989 Moldawisch zur Amts- und Landessprache erklärt. Als das Land schließlich die Unabhängigkeit erlangte und sich zu dem noch heute existierenden Nationalstaat wandelte, waren es die vor allem im Osten des Landes angesiedelten Russen, die mit dieser Entwicklung unzufrieden waren. Und so erfolgte am 2. September 1990 die Ausrufung  der Pridnestrowischen Moldawischen Republik. Das Gebiet, das international unter dem Namen Transnistrien bekannt ist, betrachtet sich dabei nicht bloß als kulturell russisch geprägte Republik, sondern zugleich als letzte Bastion der Sowjetunion, was sich nicht zuletzt darin ausdrückt, daß Hammer und Sichel bis heute das offizielle Staatswappen zieren. 

Die moldawische Regierung reagierte, indem sie ihr Militär in das autonome Gebiet schickte und den ersten Präsidenten der autonomen Republik, Igor Smirnow, verhaften ließ. Nach zweijährigen Kämpfen intervenierte der damalige russische Präsident Boris Jelzin, der die moldawische Regierung zu einem Waffenstillstand überredete. Der am 21. Juli 1992 unterzeichnete Vertrag gilt bis heute.

Mit dem nun formulierten „Hilferuf“ der pridnestrowischen Regierung könnte der Konflikt zwischen beiden Landesteilen in seine seitdem heißeste Phase eintreten.