© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 11/24 / 08 März 2024

Um ein Haar
Terroristin verhaftet: Über die dritte Generation der RAF um Daniela Klette ist kaum etwas bekannt / Über 20 Gewalttaten
Peter Freitag

In einem der dunkelsten Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte, dem Terror der Roten Armee Fraktion (RAF) ist sie der weiße Fleck: die sogenannte dritte Generation der RAF. Allein schon weil sie medial wesentlich weniger im Fokus stand als ihre Vorgänger. Nun könnte die Verhaftung von Daniela Klette (siehe Beitrag Seite 12) Aufklärung über die Strukturen dieser Restbestände der Terrorgruppe liefern, die nach der 1998 verkündeten Selbstauflösung das Dasein einer unpolitischen kriminellen Bande fristeten. Die bewaffneten Überfälle auf Geldtransporter und Supermärkte dienten wohl allein dem Lebensunterhalt der im Untergrund Verbliebenen. 

Neun Mordopfer und über zwei Dutzend Verletzte

Als erste Generation (1970 bis 1972) der RAF gelten die Gründer Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin und Jan Carl Raspe, um nur die bekanntesten zu nennen. Mit der zweiten Generation (1972 bis 1982) sind die Terroristen gemeint, die vor allem in der „Offensive 77“, auch als „Deutscher Herbst“ bezeichnet, mit Anschlägen und Morden (Opfer waren unter anderem Siegfried Buback, Jürgen Ponto, Hanns-Martin Schleyer sowie Fahrer und Polizisten) ihre bereits kurz nach der Gründung inhaftierten Gesinnungsgenossen gewaltsam freipressen wollten. Spätestens mit den Verhaftungen von Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt 1982 saß deren harter Kern im Gefängnis.

Zur Kommandoebene der dritten Generation (1982 bis 1998) sollen maximal 15 bis 20 Personen gezählt haben, vermuteten die Ermittlungsbehörden. Bekannt waren dem Bundeskriminalamt gegen Ende der Periode fünf: Wolfgang Grams, Birgit Hogefeld, Daniela Klette, Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg. Die beiden Erstgenannten wurden Ende Juni 1993 während der „Aktion Weinlese“ in Bad Kleinen gestellt. Während Hogefeld verhaftet werden konnte und später zu lebenslanger Haft verurteilt wurde (2011 wurde sie als bis dahin letztes RAF-Mitglied aus dem Gefängnis entlassen), erschoß Grams den GSG-9-Beamten Michael Newrzella, bevor er sich mit seiner eigenen Waffe richtete (JF 27/13). 

Dieser Mord an dem Elitepolizisten sowie ein weiterer Mordversuch im Zusammenhang mit Bad Kleinen sind die einzigen vollständig aufgeklärten Taten der dritten Generation. „Alle übrigen neun Morde und sonstigen Taten mit 29 zum Teil schwer Verletzten – versuchte Morde, Raubüberfälle und Sprengstoffanschläge – sind bis heute unaufgeklärt“, resümierte der Publizist und Experte Butz Peters, Autor mehrerer Standardwerke zum Thema RAF-Terror. 

Zu diesen Verbrechen gehören die Ermordung des Chefs des Rüstungskonzerns MTU, Ernst Zimmermann im Jahr 1985; genau wie die des Siemens-Managers Karl Heinz Beckurts und seines Fahrers Eckhard Groppler ein Jahr später. Ermordet hat die dritte RAF-Generation auch den erst 20 Jahre alten amerikanischen Soldaten Edward Pimental 1985 – nur um sich mit dem dadurch erbeuteten Dienstausweis Zutritt auf die Rhein-Main-Airbase zu verschaffen. Der Sprengstoffanschlag dort forderte zwei Tote und 23 Verletzte, darunter zwei Schwerverletzte. 

1986 erschoß die RAF den Diplomaten im Auswärtigen Amt Gerold von Braunmühl, und 1989 tötete sie mittels einer ferngezündeten Bombe Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen. 1991 dann wurde Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder in seinem Haus in Düsseldorf von einem Scharfschützen der RAF erschossen. Zwei Jahre später sprengte ein Kommando der Terrorgruppe die noch nicht in Betrieb genommene Justizvollzuganstalt im hessischen Weiterstadt in die Luft. 

Im Gepäck, das Grams und Hogefeld 1993 in Bad Kleinen dabeihatten, entdeckten die Ermittler „Spurenträger“ mit Fingerabdrücken von Ernst-Volker Staub und Daniela Klette. Von ihr stammte auch ein Haar, das man in einem beim Anschlag auf die amerikanische Botschaft in Bonn 1991 benutzten Fluchtauto fand.

Das Trio Klette, Staub und Garweg soll Ende 1989/Anfang 1990 in die Illegalität abgetaucht sein. Staub wurde seit 1991, Klette seit 1993 und Garweg seit 1998 immer wieder mal von Zielfahndern der Bundesbehörden gesucht. Weil ihre späteren bewaffneten Raubüberfälle keine aktuelle politische Tatmotivation aufwiesen, übernahmen Staatsanwaltschaften und das Landeskriminalamt aus Niedersachsen die Ermittlungen bzw. Fahndung nach den dreien.