© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 11/24 / 08 März 2024

Namen tilgen, um Haltung zu zeigen
Umbenennungen: In Berlin und Hamburg fallen traditionsreiche Straßennamen der „Cancel Culture“ zum Opfer / „Fischstäbchenplatz“ scheidet aus
Peter Möller

Der Verteidiger von Kolberg muß weichen. Deshalb wird nun ein neuer Name für den Nettelbeckplatz in Berlin gesucht. Seit 1884 trägt der Platz im Stadtteil Wedding den Namen des 1738 in Kolberg in Pommern geborenen Seefahrers Joachim Nettelbeck, um an dessen Verdienste bei der Verteidigung seiner Heimatstadt gegen die französischen Truppen Napoleons 1807 zu erinnern. Doch damit ist nach dem Willen der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Mitte bald Schluß. 

Denn Nettelbeck war als Seefahrer am trans-atlantischen Sklavenhandel beteiligt, ein Umstand, der schwerer wiege als seine Verdienste um die Verteidigung seiner Heimatstadt, wie die BVV bereits 2021 befand. Ziel der Umbenennung sei es, „die Dekolonialisierung des öffentlichen Raumes in Berlin-Mitte konsequent weiterzuverfolgen“, sagte Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger (Grüne) der B.Z. Derzeit läuft die Suche nach einem neuen Namen. Ein dafür eingesetztes Gremium wählt aus 500 Vorschlägen, die Bürger eingereicht haben, drei Namen aus. Einige Vorschläge, die über ein Online-Portal eingereicht werden konnten, wurden schon vorher aussortiert, darunter „Fischstäbchenplatz“, „Platz der bösen Gänse“ und „Hundi-Wau-Wau-Platz“. Geht es nach Tahir Della von der „Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland“, die Mitglied des Auswahlgremiums ist, sollte der Platz statt an „Verbrecher oder Profiteure“ zu erinnern, künftig Personen „aus dem Widerstand“ gewidmet sein, sagte sie dem Sender RBB.

Auch in Hamburg wird derzeit ein neuer Name für eine Straße gesucht, die an eine mittlerweile politisch unliebsame Person erinnert. Nach jahrzehntelanger Diskussion hat die Bezirksversammlung Hamburg-Nord am 25. Januar beschlossen, die Hindenburgstraße umzubenennen. Auch hier sind die Bürger nun aufgefordert, Namensvorschläge einzureichen. Bereits 2013 war der Teil der Straße, der durch den Stadtpark führt, nach dem SPD-Reichstagsabgeordneten Otto Wels benannt worden. 

„Ein Wegbereiter der Nazis kann nicht als Vorbild dienen“

Angestoßen haben die Umbenennung die Grünen, die bereits 1988 einen ersten Versuch gestartet hatten. „Wer den Nazis den Weg bereitet hat, kann nicht als Vorbild dienen“, begründeten die Grünen im zuständigen Bezirk Hamburg-Nord in Anspielung auf die 1933 durch Reichspräsidenten Paul von Hindenburg erfolgte Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler den jüngsten Vorstoß, der dank der Unterstützung durch SPD und Linkspartei zum Erfolg führte. Lange hatte sich die Hamburger SPD gegen eine Tilgung Hindenburgs aus dem Stadtbild gesträubt, da sie fürchteten, dadurch Namen führender Nationalsozialisten zu relativieren. 

Doch davon ist nun keine Rede mehr: „Die Zeiten haben sich so gravierend geändert, daß der Name Hindenburgstraße keinen Platz mehr in unserer Stadt hat“, sagte die SPD-Bezirksabgeordnete Martina Schenkewitz der Welt. Gerade in der aktuellen Situation, in der Angriffe auf die Demokratie massiv zunähmen, sei es wichtig, Stellung für Freiheit und Solidarität zu beziehen, meinte sie mit Verweis auf die Berichterstattung über das angebliche „Geheimtreffen“ in Potsdam. „Das hat etwas mit Haltung zu tun und unsere ist da ganz klar“ – sei es bei Demonstrationen, im Alltag oder auch bei Straßenbenennungen.